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sie damals ungefähr an der Grenze der grössten Schiefe gewesen ist, als nämlich auch die Präcession in ihrer langsamsten Bewegung begriffen war. Aber jetzt, während die Wiederholung derselben Langsamkeit eintritt, geht die Neigung der Axe nicht in ihren grössten, sondern in ihren kleinsten Werth über, welchen, wie gesagt, Albategnius in der Zwischenzeit zu 23° 35′ der Spanier Arzachel, 190 Jahre nach ihm, zu 23° 34′, und wiederum nach 230 Jahren der Jude Prophatius um nahe 2 Minuten kleiner findet. Was endlich unsre Zeit betrifft: so haben wir durch häufige Beobachtung seit 30 Jahren ungefähr 23° 282/5[1] gefunden, wovon Georg Purbach[2] und Johann v. Königsberg[3], welche uns kurz vorangingen, wenig abweichen. Hieraus erhellt wiederum auf das Deutlichste, dass die Aenderung der Schiefe von Ptolemäus an, in 900 Jahren grösser geworden ist, als in irgend einem andern Zeitraume. Da wir nun schon die Umlaufszeit der Anomalie der Präcession zu 1717 Jahren besitzen: so werden wir auch an derselben Zeit die halbe Periode der Schiefe haben, und also in 3434 Jahren ihre ganze Umlaufszeit. Wenn wir nun mit derselben Anzahl von 3434 Jahren in 360 Grade theilen, also mit 1717 in 180: so ergiebt sich eine jährliche Bewegung der einfachen Anomalie von 6′ 17″ 24‴ 9⁗. Dies wiederum auf 365 Tage vertheilt, giebt eine tägliche Bewegung von 1″ 2‴ 2⁗. Wenn ebenso die mittlere Bewegung der Präcession, welche 23° 57′ beträgt, auf 1717 Jahre vertheilt wird, so ergiebt sich eine jährliche Bewegung von 50″ 12‴ 5⁗ [4] und dies auf 365 Tage vertheilt, giebt eine tägliche Bewegung von 8‴ 15⁗ [5]. Damit aber die Bewegungen deutlicher vorliegen und gleich zur Hand sind, so oft es wünschenswerth ist, wollen wir Tafeln oder Verzeichnisse davon entwerfen, indem wir immer eine gleiche jährliche Bewegung addiren, während wir immer 60 Theile einer Ordnung als eine Einheit der vorangehenden Ordnung zufügen, bis zu den Graden, wenn es dahin wachsen sollte; und dies, der Bequemlichkeit wegen, bis zu 60 Jahren fortsetzen, weil sich nach 60 Jahren wieder dieselben Zahlen ergeben, nur dass man dann die Bezeichnungen der Grade, Minuten, Secunden u. s. w. ändern muss; so dass, was früher Secunden waren, nun Minuten werden u. s. w., und vermöge dieser Abkürzung kann man durch diese compendiösen Tafeln wenigstens innerhalb 3600 Jahren, mittelst doppelten Eingehens für die vorgesetzten Jahre die gleichmässigen Bewegungen finden und ablesen. Ebenso verhält es sich auch mit den Anzahlen der Tage. Wir werden überall bei der Berechnung der Himmelsbewegungen ägyptische Jahre zu Grunde legen, weil diese allein unter den bürgerlichen Jahren gleich sind; und es nöthig ist, dass das Maass mit dem Gemessenen übereinstimmt, was bei den römischen, griechischen und persischen Jahren nicht so zutrifft, bei welchen man nicht nach einer und derselben Weise, sondern je nachdem es jedem Volke beliebt hat, einschaltet. Das ägyptische Jahr führt aber keine Zweideutigkeit herbei, wiegen der bestimmten Anzahl von 365 Tagen, welche in zwölf gleiche Monate eingetheilt

Anmerkungen [des Übersetzers]

  1. [22] 101) Buch III. Cap. 2 ist die Schiefe der Ekliptik zur Zeit des Copernicus zu 23° 28′ 30″ angegeben, während hier 23° 28′ 24″ gesagt ist.
  2. [22] 102) Georg Purbach oder Peurbach aus Peurbach in Oesterreich ob der Ens lebte von 1423 bis 1461, war Lehrer der Mathematik in Wien, und schrieb „Theoriae novae planetarum, Nürnberg 1472“ und „Sex primi libri systematis Almagesti, Venedig 1496.“
  3. [23] 103) Johann, eigentlich Müller, auch Molitor, auch Kunsperg, Germanus, Frankus, Regiomontanus, geb. zu Königsberg in Franken 1436, starb zu Rom 1476. Tannstetter hat in seiner Vorrede zu der Tafel der Finsternisse von Peurbach einen Catalog, sowohl der gedruckten als auch der ungedruckten Werke des Regiomontanus geliefert. Beschreibungen seines Lebens besitzen wir von Gassendi, Doppelmayr und Weidler.
  4. [23] 104) Die Division von 23° 57′ durch 1717 ergiebt zwar 0° 0′ 50″ 12‴ 55⁗, und nicht, wie alle Ausgaben haben 50″ 12‴ 5⁗. Wenn man aber 360° mit 25816 dividirt, so erhält man 50″ 12‴ 5⁗. Vergl. Anm. 100).
  5. [23] 105) Dies Resultat wird durch die Correctur der vorigen Anm. nicht verändert.