Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/35

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Wasyl Stefanyk emporgeschwungen. Auch sein Held ist der Bauer, den er uns in jeder Lage seines eintönigen und doch an Mühsalen so reichen Daseins in meist düsteren Szenen greifbar vor Augen stellt. In unübertrefflicher Schärfe, gedrungener Kraft wirft er seine Skizzen hin, gleichsam blitzartig den Vorgang, den er uns zeigen will, erhellend.

Wir haben jetzt ein Jahrhundert litterarischer Arbeit in flüchtigen Bildern an uns vorüberziehen lassen, einer Arbeit, welche in ununterbrochenem Kampfe gegen widrige äußere Verhältnisse von einem Volke geleistet wurde, das sich erst von neuem zu eigenem Leben emporringen mußte. Und nicht nur durch rohe Gewaltmaßregeln drohte der kleinrussischen Litteratur Gefahr, auch der machtvoll sich ausbreitenden russischen Litteratur gegenüber mußte sie mit aller Kraft ihre Stellung wahren; war es doch von Alters her keine so seltene Erscheinung, daß geborene Ukrainer ihr Talent ganz in den Dienst der russischen Litteratur stellten. Wir haben gesehen, daß die Entwickelung aus bescheidenen Anfängen vorwärts gegangen ist, die in jenen enthaltenen Keime zu Blüten entfaltend, welche ihre Lebenssäfte aus dem ewigfrischen Boden des Volksgeistes ziehen. Und das ist die Eigenart der kleinrussischen Litteratur: sie ist vielleicht diejenige, welche am wenigsten sich von dem Ideenkreise der großen Masse des einfachen Volkes entfernt hat, welche am urwüchsigsten die Gedanken und Gefühle, welche dieses Volk von Bauern bewegen,

Empfohlene Zitierweise:
Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite XXVII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/35&oldid=- (Version vom 13.9.2022)