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Jahre 1847 ein trauriges Geschick: er wurde als Mitglied eines kleinrussisch-patriotischen Geheimbundes, welcher die Aufhebung der Leibeigenschaft, eine freie Verbrüderung aller Slaven u. a. als Ziel verfolgte, verhaftet, unter das Militär gesteckt und als gemeiner Soldat nach dem Orenburger Gonvernement, fern an die Grenze Asiens geschickt. Dabei war ihm streng verboten, zu schreiben! Nach zehn Jahren des Elends wurde er endlich auf Fürsprache von Petersburger Freunden freigegeben, doch seine physische Kraft war gebrochen; nachdem er abermals, im Jahre 1859, seine Heimat aufgesucht, starb er am 10. März (26. Februar) 1861. Bei Kaniew am Dnjepr wurden seine Gebeine beigesetzt, mitten in der weiten Steppe seiner Ukraine, wie er es gewünscht, ein neuer Grabhügel, der sich an die vielen andern des ukrainischen Landes reiht, in denen die ruhmreichen Söhne des kleinrussischen Volkes schlummern. Und zu ihnen gehört Schewtschenko wie kein andrer. Für sein Volk ist er der Sänger, der Genosse seiner Leiden, der Tröster und Führer; für die Weltlitteratur ist er eine der eigenartigsten und anziehendsten Dichtergestalten.

In Schewtschenkos Liedern liegt die Seele des kleinrussischen Landes und des kleinrussischen Volkes. Und diese Seele spricht in ihnen frei und ungekünstelt, in der schlichten, herzlichen Sprache des Naturkindes, und doch voll tiefer, zartester Empfindung und Poesie, voll der melancholisch süßen Innigkeit des slavischen

Empfohlene Zitierweise:
Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite X. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/18&oldid=- (Version vom 13.9.2022)