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Ständeversammlung baldigst zusammenberufen werden solle; daß er sich aber in dieser wichtigen Angelegenheit nicht von Zeitereignissen, sondern nur von der gewissenhaften Rücksicht auf das Wohl der Sachsen und der durch die Bundes- und Landesverfassung übernommene Pflicht leiten lassen werde etc. etc. – Die oben erwähnte anderweite Sitzung der Leipziger Stadtverordneten hat denn auch am 4. d. Vormittags 11 Uhr bei ungeheurer Zuhörermasse stattgefunden. Nachdem der Vorsteher der Stadtverordneten bemerkt hatte, daß die Stadtverordneten in Dresden darüber berathen hätten, ob sie der Leipziger Adresse beitreten sollten und daß sich die Mehrheit für den Nichtbeitritt erklärt, erscholl ein mit Lachen untermischtes Geschrei der Mißbilligung unter dem anwesenden Publikum, das überhaupt bei dieser Sitzung aus seiner theilnehmenden, blos passiven Stellung herausgetreten war und nach einer Aeußerung des Vorstehers als die Vertretung der gesamten Bewohnerschaft vom Stadtverordnetencollegium selbst angesehen wurde. Die erste Antwort des Königs ward mit laut geäußertem Unwillen und Mißfallen angehört und kein einziges Wörtchen des Vertrauens ertönte, nicht einmal aus der Mitte der Stadtverordneten. Nach mehreren Vorträgen, (wovon vorzüglich der Robert Blum’s bemerkenswerth, der zeigte, daß die deutschen Minister systematisch damit umgegangen wären, die Constitutionen zu vernichten, die heiligsten Verträge zwischen Völkern und Regierungen aufzuheben, die Staatsbürger in ihren ersten wesentlichen Rechten zu kränken) erklärte sich endlich das Stadtverordnetencollegium mit Bezugnahme auf die in der ersten Adresse gestellten Anträge dahin, an Se. May. ohne Erwartung einer Antwort die Erklärung gehen zu lassen: 1) daß sich das Stadtverordnetencollegium zu Leipzig im Verein mit dem Stadtrathe zu jener Adresse auch jetzt noch für befugt erachte; 2) daß jene Adresse nicht der Ausdruck der Gesinnung einer Partei, sondern aus freier Entschließung und Ueberzeugung jedes Einzelnen hervorgegangen sey. Die Adresse sey der Ausdruck der Wünsche und Gesinnung der gesammten Bevölkerung Leipzig gewesen; 3) daß Se. Maj. von seinen Ministern nicht gut berathen werde, daß sie entweder die Stimmung des Landes selbst nicht kennen oder den König darüber täuschten; daß also die Minister das Vertrauen des Landes nicht mehr besäßen, und daß man deshalb den Wunsch ausspreche, Se. Maj wolle sich mit Ministern umgeben, denen das Volk Vertrauen schenken könne; 4) daß man die Einberufung der Ständekammern für dringend nothwendig erachte. – Nachdem der Vorsitzende dem Publikum für seine außerordentliche Theilnahme gedankt, zur Ordnung und Gesetzlichkeit ermahnt und den Wunsch ausgesprochen hatte, daß man von nun an den Stadtverordneten u. dem Stadtrathe die Fortführung des Begonnenen ruhig überlassen möge; machte er noch die überaus wichtige Eröffnung, daß sich wahrscheinlich die Universität ihnen in irgend einer Weise anschließen werde, (was bereits geschehen ist, indem der akademische Senat einstimmig eine Adresse an den König beschlossen hat). Dadurch würde die Sache allerdings eine Wendung nehmen, die an dem Fortschreiten in dem eingeschlagene Wege kaum mehr zweifeln läßt. So viel ist gewiß, zurücktreten wird und kann Leipzig jetzt nicht mehr und was die Stimmung anlangt, so ist sie durchgängig für den Stadtrath und die Stadtverordneten. Von einer Partei ist nicht mehr die Rede. – Beim Schluß der Sitzung brach das Publikum in ein donnerndes und nimmer endenwollendes Lebehoch auf die Stadtverordneten aus. Ich werde diese Sitzung eines Stadtverordnetencollegiums, bemerkt der Ref. d. Dr. Tbl., ungeachtet ich der Ueberzeugung bin, daß der gethane Schritt nicht ganz gesetzlich (?) ist, nie vergessen; in den Augen vieler Anwesenden sah ich Thränen, als man erwähnte, daß das deutsche, treue Volk so viel für seine Fürsten gethan habe, und daß diese zum Lohn dafür seine wenigen Rechte beständig geschmälert hätten. Eine solche Sitzung des Leipziger Stadtverordnetencollegiums wäre vor 14 Tagen auch der kühnsten Phantasie als ein Ding der Unmöglichkeit

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C. S. Krausche: Camenzer Wochenschrift, 9. März 1848. C. S. Krausche, Kamenz 9. März 1848, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KWS_1848-03-09.pdf/2&oldid=- (Version vom 23.11.2023)