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als mit Donnergetöse das Dorf vor seinen Augen in einen aufbrausenden See versank, Häuser und Bewohner in seinen Fluchen verschlingend.

2.

An der Stelle des jetzigen Balksee’s stand in der Vorzeit eine reiche Stadt, Balk geheißen, darin ein Kloster, dessen Bewohner den Gottesdienst nicht hielten, nicht läuteten, nicht beteten, mit den Bewohnern der Stadt im übermüthigen hartherzigen Lebenswandel wetteiferten.

Ein Pilger aus fernem Lande, auf seiner Wanderschaft zu ihnen kommend und um gastliche Aufnahme bittend, das Evangelium zu predigen, ward hier, wie vor den Thüren der Stadtbewohner, barsch und höhnisch abgewiesen, bis nach langem Umherirren eine ärmliche Frau ihn aufnahm in ihre Wohnung, und ihn sorgfältig gastlich dort bewirthete, seiner Lehre und Predigt ein aufmerksames williges Ohr leihend. Als nun bei seinem Abschiede die Frau einen Lohn ihrer gastlichen Aufnahme weder verlangte, noch annehmen wollte, bat der Pilger, sie möge statt dessen eine besondere Gunst sich auswählen, worin sie dann willigte, indem sie bat: „die erste Arbeit, die sie verrichte, möge kein Ende nehmen.“

Nachdem der Pilger ihr die Erfüllung dieser Bitte gewährt und sich damit verabschiedete, nahm die Frau ihr Leinenzeug aus der Truhe, fing an, solches zu recken, daß bald das Leinen unter ihren reckenden Händen zum großen Haufen anwuchs und kein Ende nahm, zum großen Neide ihrer herbeigekommenen Nachbarin.

Geraume Zeit später, um’s Osterfest, führte den Pilger seine Wanderschaft in die Stadt zurück. Hier ward er sofort von der neidischen Nachbarin erspäht, von dieser in ihr Haus zur Herberge geladen, dort überaus schlecht bewirthet, seinen Reden keine Beachtung irgend gewährt, dagegen ihm bei’m Aufbruche folgenden Tages die seiner ersten uneigennützigen, dienstwilligen Wirthin gewährte Gunst, als gleicher Lohn der jetzt erfahrenen Behandlung, gebieterisch abverlangt.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_234.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)