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hellgrauen Hut auf den Kopf, der seit Jahren unbenutzt in meinem Kleiderschrank lag.

Ungesehen verließ ich meine Wohnung, nachdem ich mich überzeugt hatte, daß die Treppe leer war. In einer Seitenstraße kaufte ich mir bei einem Optiker eine billige, blaue Brille und setzte sie sofort auf. Dem Verkäufer erzählte ich so nebenbei, daß mir der Arzt geraten habe, dunkle Gläser zu tragen, da meine Augen stark angegriffen seien. Eine Viertelstunde später befand ich mich auf dem dem Hause meiner Verwandten gegenüberliegenden Bürgersteig und warf im Vorübergehen einen prüfenden Blick in das elegante Treppenhaus. Am meisten hatte ich den Portier zu fürchten, der mich von Ansehen gut kannte. Trotzdem – es mußte gewagt werden. Entschlossen schritt ich auf das Haus zu und drückte gegen die Eingangstür, die gewöhnlich verschlossen zu sein pflegte. Ich hatte Glück. Die Tür gab nach. Mit zur Seite gedrehtem Kopf eilte ich an der Portierloge vorüber und die Treppe hinauf. Niemand begegnete mir. In der zweiten Etage angelangt, zog ich den Ring mit den Schlüsseln hervor, öffnete, schlüpfte hinein, drückte hinter mir die Tür wieder zu, steckte den Schlüssel von innen ins Schloß und drehte ihn einmal herum, um vor jeder Überraschung sicher zu sein. Ähnlich schützte ich mich auch an der Tür des Kücheneingangs, indem ich hier die Sicherheitskette vorlegte, da ich den Schlüssel nicht fand.

Mit leisen Schritten kehrte ich in die vorderen Gemächer der großen Wohnung zurück, deren acht Räume sämtlich nach der Straße hinaus lagen, da das Gebäude ein Eckhaus war.

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Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/42&oldid=- (Version vom 28.8.2021)