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ins Schloß. Erst nach einer Weile klingelte ich dann. Ein Stubenmädchen mit weißem Häubchen und Tändelschürzchen öffnete.

„Herr Leutnant von Lautenborn zu Hause?“

„Ich werde nachsehen gehen. Bitte einen Augenblick zu warten.“

Lautenborn empfing mich ziemlich reserviert. Sein Besucher wurde mir als „Herr Schauspieler Schwechten“ vorgestellt.

Selten habe ich einen Menschen gesehen, der im ersten Moment so sehr den Eindruck untadeliger Männerschönheit machte wie dieser Schwechten. Erst später merkte ich dann, daß in seinen dunklen Augen bisweilen ein Ausdruck von Unaufrichtigkeit und Hinterlist aufblitzte, der zu denken gab, besonders wenn man wie ich, kurz vorher das merkwürdige Gespräch zwischen ihm und Lautenborn belauscht hatte. Trotzdem – dieser schlanke Schauspieler mit dem wie aus Stein gemeißelten Charakterkopf eines römischen Imperators und den blitzenden, leidenschaftlichen Augen eines Fanatikers mußte auf Frauen ungemein wirken. Vermochte doch auch ich mich nur schwer dem berückenden Reiz seiner Persönlichkeit zu entziehen. Die leichte, geradezu graziös-geistvolle Art, mit der er jetzt die Unterhaltung führte, seine scheinbare Bescheidenheit und das bestrickend liebenswürdige Lächeln im Verein mit den selten abgerundeten, ruhigen Gesten, die seine Worte begleiteten, – all das hätte wie gesagt auch mich fraglos in Bann geschlagen, wenn ich eben nicht diese zeitweise unruhig und unstät flimmernden Augensterne, dieser heimlich beobachtende Blick die wahre Natur des Mannes enthüllt haben würden.

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Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/21&oldid=- (Version vom 1.8.2018)