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ein. Ganz dicht lag mein Auge an der kleinen Öffnung in der Wand.

„Gnädiges Fräulein, ich bin bereit …“, mahnte Hiller in zartfühlender Weise.

Marga schreckte zusammen. Langsam hob sie den Kopf, langsam, tonlos kamen die Worte ihr über die Lippen:

„Ich möchte Ihnen zunächst die Vorgeschichte dieses unseligen Ereignisses erzählen, Herr Kommissar. Des besseren Verständnisses halber. Vor nunmehr drei Jahren wurde ich von einer Pensionsfreundin, deren Vater Major und Kommandeur des in Kolberg stehenden Infanterie-Bataillons war, eingeladen, den Sommer bei ihr in dem ja auch als Seebad berühmten Städtchen zu verleben. In Kolberg lernte ich dann eines Tages einen Schauspieler kennten, der am dortigen Sommertheater für die eine Saison engagiert war and dessen ganze Persönlichkeit auf mich, das siebzehnjährige, weltunerfahren Mädchen sofort einen tiefen Eindruck machte.

Bei einer unsrer Zusammenkünfte – ich hatte mich in meiner Backfischnaivität schwärmerisch in den Schauspieler verliebt – stellte mir Ewald Schwechten, so hieß der jugendliche Liebhaber der Sommerbühne, dann seinen Freund vor, der angeblich österreichischer Baron und Offizier sein sollte. Damals glaubte ich dies in meiner Harmlosigkeit natürlich ohne weiteres. Baron von Lautenborn war es dann, der uns beide „zum Andenken“ des öfteren in allerhand zärtlichen Stellungen photographierte. Bei diesen Photographien blieb es leider nicht. Ich schrieb Schwechten vielmehr auch die glühendsten Liebesbriefe, in denen so manche Stelle vorkam,

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Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/121&oldid=- (Version vom 1.8.2018)