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bereits abgefallen und modern im Erdreich. Und alle Bäume und Sträucher sind durch phantastische Schlinggewächse verbunden, die mit ihren großen Blumen einen berauschenden Duft ausströmen. Hier aber droht dem Unkundigen Gefahr, denn in dem verworrenen Schlinggewächs haust die schillernde, giftgeschwollene Schlange, deren Biß unfehlbaren Tod bringt.

Weit weg vom Waldessaum, wo das sammetgrüne Reisfeld anfängt, liegt in dem bläulichdunklen Palmenhain ein Dörfchen der Eingeborenen. Nur mit Mühe entdeckt man die kleinen, unscheinbaren Bambushütten, denen die Thür zugleich als Fenster und Schornstein dient. Jedes dieser Häuschen sieht aus, als wäre es der Zwillingsbruder des anderen, ohne Mühe und Sorgfalt sind sie hergestellt, so wie mancher Vogel sein Nest baut. Es ist noch früh am Tage, die Bewohner sind an ihr Tagewerk gegangen, halten wir daher Umschau in einer Hütte.

Es ist nur ein einziger Raum, welcher der ganzen Familie zum Aufenthaltsort dient. Eine niedrige, breite Bank, welche die eine Längsseite des Hauses einnimmt, ist die gemeinschaftliche Schlafstätte. Auf dem festgestampften Erdboden stehen einige Kochtöpfe — das ist Alles. Ein dumpfiger, scharfer Geruch, der von Speiseresten herrührt, zwingt uns sehr bald, den Raum wieder zu verlassen. Das Dörfchen ist wie ausgestorben, nur einige Greise und alte Frauen, die zur Arbeit nicht mehr tauglich sind, sitzen auf den Straßen und verscheuchen mit Steinwürfen die unzähligen, halbwilden Hunde, die überall herumkläffen und herumstehlen, von den Wohnungen. Es ist ein Bild trostloser Armuth, unendlicher Verkommenheit, welches uns hier umfängt. Und dennoch spendet die Natur hier Fülle und Segen, wie vielleicht nirgends auf Erden. Dreimal kann hier Reis, das Hauptnahrungsmittel, im Jahre geerntet werden, zweimal bringt der Kaffeestrauch seine würzigen Beeren hervor und zweimal wird das Zuckerrohr zum Abschnitt reif. Die kostbarsten Gewürze gedeihen, wohin man blickt, und auch das Innere der Erde birgt ungeahnte Schätze. Aber das Volk kommt um vor Hunger, es verkommt in Elend und Unwissenheit.

Es ist „cultivirt" worden, der habsüchtige Europäer hat ihm das Opium gebracht, dafür hat man dem Eingeborenen sein Land genommen und läßt ihn Frohndienste thun, wo er als freigeborener Mensch frei die Früchte seines Fleißes hätte genießen können. Die Ueberreste einer alten, erhabenen Cultur, die sich in gewaltigen Bauwerken noch erhalten haben, erblickt fast nie ein europäisches Auge, sie liegen im Gebirge, wohin sich nur selten Jemand verirrt. Die systematische Verdummung und das Opium

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Rudolf Lavant: Ein Tag auf Mitten-Java. Verlag von E. Thiele, Leipzig 1887, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirter_Deutscher_Jugendschatz_67.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)