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verwundetes Herz! Sieh’ an meine bitteren Zäher! Siehe an, wie alle meine Kraft erbebt vor großem Herzeleid! Erbarme dich, Sohn und Herr, über mich! Verliere ich dich, so verliere ich Alles. Erhöre, Herr, mein letztes Gebet und einzige Hoffnung! So du je gehen willst zu dem Tode, so laß mich zuvor sterben, daß ich nicht vor meinen Augen dich so jämmerlich verderben sehe.“

Der Herr antwortet ihr mit betrübtem Herzen und sprach:

„Meine liebe Mutter! merk! wenn ich dich erhöre, so muß deine Seele zu den Vätern in die Vorhölle fahren, denn Niemand mag in das ewige Himmelreich kommen, es werde denn die Pforte zuvor aufgethan. Nun muß mir meine Seite geöffnet und mein Herz mit dem Speer durchstochen werden, und wenn das Alles geschieht, so wird auch der Himmel aufgethan. Ich will zuerst sterben und den Himmel öffnen; darnach will ich zu dir kommen und dich lieblich führen in die Klarheit des Himmelreichs. Es wäre unbillig, daß ich dich der Vorhölle hingäbe, da du heilig empfangen und ohne Sünde in der Welt bist. Siehe zuerst an meinen Tod und habe Mitleiden mit mir, darnach wirst du mit mir herrschen ewiglich.“

Unter diesen Worten fiel Maria die Jungfrau ihrem liebsten Sohne zu Füßen mit heißem Weinen und großen Klagen. Da ward Christus selbst zum

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Franz Joseph Holzwarth: Passionsbilder. Franz Kirchheim, Mainz 1856, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Holzwarth_Passionsbilder.djvu/28&oldid=- (Version vom 1.8.2018)