Was hat dir der süße Lehrer und liebe Herr gethan? Hat er deine Verrätherei damit verdient, daß er dich zu einem Herrn des Himmels machte? Oder hat dir die liebe Mutter etwas gethan? Du wußtest wohl, daß er ein unschuldiges Blut war, und ihr beider Leben wolltest du tödten mit Einem Tode. Böser Mensch! Nicht allein die Mutter oder allein den Sohn, sondern Sohn und Mutter hast du in den Tod gegeben!
Nun sehet an alle Geschöpfe, wozu Gott geworden ist! Man hat ihn verkauft um Geld, schnöd und lästerlich wird nun der Schöpfer Himmels und der Erde verkauft: die höchste Allmacht wird um einen Spottpreiß hingegeben. Nun wird verspottet die Ewigkeit! Die klare Gottheit wird gleichgeachtet den unvernünftigen Geschöpfen, die man kauft und verkauft, sie wird ausgegossen gleich dem Geschmeide!
Am Abend kam Judas nach Bethanien, und als ihn die Jungfrau Maria ansah, da empfing sie ihn gar lieblich und fragte ihn, wie es um ihren Herrn und Sohn stünde. Judas sprach: „Gar wohl.“ Sie wußte, daß Judas die Fürsten und Aeltesten wohl kannte, und sie hatte ihn gar lieb, darum empfahl sie ihm ihren Sohn und sprach:
„Mein lieber Jünger, ich empfehle dir meinen Sohn und Herrn.“
Judas sprach:
„Fraue! er ist mir allzeit wohl empfohlen.“
Franz Joseph Holzwarth: Passionsbilder. Franz Kirchheim, Mainz 1856, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Holzwarth_Passionsbilder.djvu/26&oldid=- (Version vom 1.8.2018)