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Freude an die Rollen sich zurückerinnern, die sie einst vertreten durften.

In Schwäbisch-Gmünd hatte zu alten Zeiten fast jede Familie ihren Uebernamen oder Spitznamen geführt. Und nun heißt man die Familie, in der die Rolle Christi durch einige Generationen hindurch verblieben war, bis auf diesen Tag „s’ Hergettle’s“[1]. Ist das nicht ein Wink, daß das Passionsspiel für die Stadt wirklich eine Bedeutung hatte?

Kamen die Bauern in hellen Haufen zur Aufführung in die Stadt herein, so war das Schauen nicht das Einzige, was sie thaten. Sie hatten in ihren Wäldern das Holz zum Gerüste gefällt, es unentgeldlich zur Stadt gebracht und die große Bühne bauen helfen. So trug Stadt und Land seinen Theil zum frommen Werke bei.

Für die Größe der Volksmasse, welche zur Aufführung sich versammelte, wissen die alten Leute, die mir davon erzählten, fast keinen Ausdruck zu finden.

Der öffentliche Platz bei der Kirche, wo die Aufführung stattfand, mag seine fünfzehntausend Menschen fassen; und er war gedrängt voll, und zu allen Fenstern der benachbarten Häuser hingen sie heraus und alle Dächer waren bevölkert. Als der Kreuzweg über den Marktplatz zog, der vielleicht der größte im Lande ist, sagte einer vom Rath der Juden, der hoch zu Rosse über die viel tausend Köpfe hinwegsah, zu


  1. Des Herrgottle’s, das ist die Familie des Herrgotts.
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Franz Joseph Holzwarth: Passionsbilder. Franz Kirchheim, Mainz 1856, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Holzwarth_Passionsbilder.djvu/133&oldid=- (Version vom 1.8.2018)