der großen Sonnenfinsterniß, welche
hier bei ziemlich heiterm Himmel
mit aller Bequemlichkeit beobachtet
werden konnte.
Ich theile Ihnen für den Hesperus, statt Nachrichten anderer Art, welche Sie vielleicht von mir erwarten, einstweilen einige Bemerkungen über die seit dem 3. August begonnene Ausstellung der Dresdner Kunstwerke mit. Man sieht Dresden, das teutsche Florenz, schon seit langer Zeit, vielleicht nicht mit Unrecht, als das Asyl der Künste und als einen ihrer Hauptsitze in Teutschland an. Die Kunstkenner haben nur eine Stimme darüber, daß die königliche Gallerie der Gemälde eine der ersten in Europa sey, und daß sie die Krone der vielen andren Dresdner Museen bleibe. Ohne selbst Kunstkenner zu seyn, oder ohne selbst die Miene eines solchen annehmen zu wollen, wage ich dennoch, Ihnen den Ausdruck meines Gefühls, bei dem Anblick der diesjährig aufgestellten Kunstwerke, zu geben. Ich hoffe wenigstens, daß es mich nicht immer und nicht ganz getäuscht haben soll.
Der Katalog der ausgestellten Kunstwerke, den man gewöhnlich bei Anfang der Ausstellung ausgibt, zählt diesmal 592 Numern. Da sich indessen unter dieser Zahl die Arbeiten der Kunstschüler an der Meißner Zeichenschule, an der Leipziger Kunstakademie, der Schüler der katholischen Hauptschule, der Erziehungsanstalt zu Friedrichstadt-Dresden und der Industrieschule bei der königl. sächsischen Akademie befinden, die meistens aus Studien, architectonischen Zeichnungen oder auch Modellen bestehen : so schrumpft die Zahl der eigentlichen Gemälde und größerer von Meistern und Dilettanten aufgestellten Kunstwerke beträchtlich zusammen. Mehrere gute Gemälde sind indessen noch nicht unter der obigen Zahl verzeichnet, sondern werden wahrscheinlich einem spätern Nachtrag des Katalogs aufgespart.
Ich werde Ihnen nur die bedeutenderen der größern historischen Compositionen und Stücke nennen, und mache da billig mit dem Nachlaß des verstorbenen Prof. von Kügelgen, dessen Arbeiten schon seit längerer Zeit durch die allgemeine Stimme ein klassischer Werth zugestanden worden ist, den Anfang. Man findet fünf mit seinem Namen bezeichneten Oelgemälde: Einen Christus, Johannes oder Evangelist, Johannes der Täufer, den verlornen Sohn, die letztere Arbeit dieses Künstlers, und eine herrliche Madonna mit dem Christuskind; sämmtlich nach eigener Erfindung. Man kann schon erwarten, daß diese Bilder eben so groß gedacht, als meisterhaft ausgeführt sind. Ob aber gleich die kleine uebliche Madonnenschöpfung vielleicht nur als Skizze zu einem größern Gemälde anzusehen ist, welches der Künstler noch auszuführen gedachte, so gestehe ich doch gern, daß gerade dies Bild mich am meisten angezogen hat. Ohnstreitig kann es den ähnlichen Werken größerer italiänischer Meister mit Recht zur Seite stehen. Ueberdies hat der edle Kügelgen den klassischen Adel der Galleriefähigkeit, welche gewöhnlich erst nach dem Tode der Meister eintritt, für seine Meisterwerke, leider, schon gelöst.
Hier, wo sich die unübertrefflichen Originale von Battoni’s und Correggio’s reizenden Magdalenen finden, scheint es doppelt gewagt, diesen schon so oft und mit verschiedenem Glück behandelten Gegenstand von neuem zu bearbeiten. Demohngeachtet hat der mit Recht geschätzte Maler Pochmann, und ein wackerer Schüler des Prof. Hartmann, Gustav Baumgarten, diesen historischen Charakter, und zwar nicht ohne Glück, obwohl auf eine von ihren großen Vorgängern sehr verschiedene Art, behandelt. Des erstern Meisters schöne Sünderinn liegt auf den Knieen, und blickt mit emporgehobenen, sanft schwärmerischen Augen und über die Brust verschränkten Armen reuig gen Himmel. Das zarte Leben des warmen Fleisches und der Zauber, welcher die ganze Gestalt und den Ausdruck des Gesichts auf diesem lieblichen Bilde überfließt, läßt sich schwerlich schildern, und kann schwerlich übertroffen werden. Ohnstreitig ist es der Matador der diesjährigen Ausstellung. Auf dem Gemälde Baumgartens liegt Magdalena mit tief gesenktem Haupt vor Christo auf den Knieen; an ihrer Seite sind die Apostel Petrus und Johannes. Die einfache Größe und Schönheit von Raphaels herrlicher Madonna di St. Sisto scheint dem Künstler bei der Composition seines Gemäldes vor Augen geschwebt zu haben. So wie dort eine himmlische Glorie von der erhabenen in den Wolken schwebenden Jungfrau ausgeht, und sich über die zu ihren Füssen knieenden Gestalten ergießt, so steht hier der Erlöser, als Ideal der höchsten menschlichen Tugend, belehrend, verzeihend, segnend über den Seinen. Der Apostel Petrus ist offenbar eine Nachahmung des Sixtus auf dem Raphaelischen Bilde. Die Zeichnung scheint mir edel und correct, die Gruppierung des Ganzen verständig, das Colorit lebhaft und harmonisch, und die Ausführung fleißg und brav. Sollte man auch den Ausdruck in den Zügen der büßenden Sünderinn minder gelungen finden, so scheint dies Gemälde koch unter die vorzüglichern zu gehören, mit denen jüngere Künstler die Ausstellung schmückten.
Ein betender und dankender Christus nach eigner Idee
Tauscher: Bericht über die Kunstausstellung in Dresden 1820 usw.. Friedrich Tempsky, Prag 1820, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hesperus_1820_Kunstausstellung_in_Dresden.djvu/1&oldid=- (Version vom 16.11.2024)