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geliebten Wittenberg lassen will, weil Sodom und Gomorra besser seien, denn dieser Lasterpfuhl und Schandort, wenn er die Studenten zu Paaren treibt und den Professoren ins Gewissen greift und die Staatsmänner auf ihre Untätigkeit schilt. Wer aber hat je die Stirne gehabt, diesem glaubenstrotzigen Recken selbstsüchtige Motive zu unterschieben? Und neben diesem Glaubenstrotz, der, wenn er sich mit seinem Heiland zusammengeschlossen hatte, die ganze Welt verlachte und ihr trotzte, diese ein fache Unmittelbarkeit christlicher Guttat! Tausend Gegner hat er gehabt, aber nie einen persönlichen Feind. Tausend Feinde haben ihm den Tod geschworen, wenn sie aber in das Auge dieses frömmsten aller Deutschen sahen, waren sie entwaffnet. Von den miri oculi und taetri hat jener Kardinal zu Augsburg noch lange geredet; aber Melanchthon sagt: „Wenn wir 3 Tage uns nicht zu ihm wagten, weil sein Groll zu sehr war, so wir in sein Auge wieder blickten, wurden wir gewonnen.“ Das ist der Glaubenstrotz der reichen Unmittelbarkeit einer Seele: für sich selbst will sie nichts, denn sie hat alles; für Ihn läßt sie nichts unversucht, denn Ihm dankt sie alles. Es komme die Zeit heran, die da sage, daß sie Luther ganz ausgelernt und aufgebraucht habe. Die Schwärmer, die eine neue Reformation wünschen, sollen erst die Schätze der Reformation anfangen zu heben, anheben zu schätzen, ehe sie von einer neuen Reformation reden.

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 Hinter diesen klaren lichten Bildern steht Augustin in meinen Augen weit zurück. Drei Feinde haben auf seinem späteren Lebensweg sich gegen ihn gewendet, mit denen der Bischof kämpfen mußte, ehe der Glaube sie ganz innerlich besiegt hatte. Das war der Manichäer Atheismus und Monismus, der Pelagianer Rationalismus

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Hermann von Bezzel: Luther und Augustin. Verlag der Buchhandlung der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1912, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Luther_und_Augustin.pdf/18&oldid=- (Version vom 9.10.2016)