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der weiße zur Rechten, „das ist alles, was wohl tut, der viel gefährlicher ist.“ Wie ward die Innere Mission gepriesen, mit Romanen, beweihräuchert, mit Hymnen verherrlicht, mit goldenen Medaillen geziert und geschmückt, Könige haben ihr gedient, Königinnen sind wetteifernd ihre Beschützerinnen geworden! Es ist unserer sonst nicht in der Könige Häusern wohnenden und mit weichen Kleidern angetanen Magd Jesu Christi zuerst eigen zu Mut gewesen, dann süß eingegangen, denn „man hat nichts lieber, als daß uns jedermann wohl will.“ Da lernte sie Konzessionen machen, dort gab sie ein Sätzlein preis, da ja der Buchstabe tot und der lebendige Geist doch das Größte sei, sie konnte auch anders, wenn man sie freier organisieren wollte und die alten, ehrwürdigen Meinungen der Väter ihr veraltet nannte. Es sind Zeiten gekommen, welche die Mission von ihrem durch den Kreuzestod als Leidensfreund und Schmerzensmann erwiesenen und durch die österliche Großtat als Todesherrn klärlich gezeigten Herrn scheiden wollten. Aber sie hat so viel Kraft der Selbstbesinnung in sich, daß sie lieber in das Elend geht als auf breiter Heerstraße sich feiern und in den Salons sich preisen zu lassen mit der Drangabe ihres Eigenwesens, sie eilt zu den Quellen zurück, um in ihnen sich zu spiegeln und aus ihnen sich zu erneuen. Noch ist ihr Salz ein gutes Ding, die Selbstkritik ein nötiges, aber auch ein nützliches Werk. Sie will aller Dinge los und ledig stehen, wenn sie nur Seines Geistes und Ihm treu bleibt. Jubelfeiern läuten Bußtage ein. – Nicht die peccatilla selbstquälerischer krankhafter Einzelkritik, die so leicht die Mücken seigt und Größtes übersieht, wollen bekannt sein, Mißgriffe, Fehltritte, der Mangel an Zeitverständnis, an Menschenkenntnis und Augenmaß, sondern die große, die bedeutsame, ja die einige Sünde, daß die Lebensquelle verlassen und die gegrabenen Zisternen ihr vorgezogen wurden, die Freundschaft mit der Welt zur Feindschaft gegen Gott zu werden sich anließ (Jacob. 4, 4). Ich will mich aufmachen, heißt es am heutigen Tag, an jedem Arbeitstag der Inneren Mission, und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt. Du bist meinen Augen entwichen, meinem Herzen entfallen, mir entfremdet, nicht Deine, sondern meine Ehre suchte ich, nicht meine, sondern Deine Habe verpraßte ich. Nichtwert Dein Kind zu sein wünsche ich doch sehnlich, Dein zu bleiben, einer der Deinen und wäre es auch nur Dein Taglöhner.

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Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Grund, Kraft und Ziel der Inneren Mission. Buchhandlung der Diakonissenanstalt Neuendettelsau, Neuendettelsau ca. 1914, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Grund,_Kraft_und_Ziel_der_Inneren_Mission.pdf/15&oldid=- (Version vom 24.10.2016)