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 Was aber der Raum in Ausdehnung der Quantität wirkt, das Göttliche knechtend, das Widergöttliche zur Tyrannin erhebend, das will und schafft die Zeit in der scheinbaren Eile an sich gleichgültiger Momente, die Gottes heiliger Geist mühsam auskauft, um in ihrer Fülle das von Jahrhunderten Vorbereitete zur Erscheinung zu bringen, um aus der Saat die Ernte und aus dieser jene reifen und erstehen zu lassen, während der Feind, der weiß, daß er wenig Zeit hat (Offb. 12, 12), sie mit dem Scheine des Ewigen, Bleibenden antut, um das Verlangen nach Gütern zu erwecken, die nie sättigen, wohl aber enttäuschen, die träumen lassen, man habe genossen, damit man beim Erwachen traurig merke, wie leer die Seele ist. Von Ewigkeit her in die Zeit geboren arbeitet Jesus Christus, solange die Ewigkeit es der Zeit gestattet, Gefäß und Zeugin seiner Arbeit zu sein; der Herr der Über- und Unzeitlichkeit bindet sich an die Stunde, während sein Feind die Zeit zwingt, die Ewigkeit zu verdrängen, um in die enteilende Stunde den Genuß zu versetzen, den er der Ewigkeit entwendet hat. Darum hat die Arbeit des Widersachers der Ewigkeit, deren Unermeßlichkeit ihn auf sich beschränken und mit sich zu bleibender Qual leben heißt, die Schreckhaftigkeit der Aufgeregtheit an sich, die Spiel scheint und Mühe ist, die Genuß vortäuscht und Not schafft. Die Stetigkeit im Bösen wäre seine Vernichtung, der Prozeß der Selbstauflösung, während der buntfarbige Wechsel Neues auf alte, Altes auf neue Weise anbringt mit dem prickelnden Weh einer Melancholie, die gesunder Trauer nur darin ungleich ist, daß diese arbeitet, während sie in den tatenlosen Schmerz um der in ihm ruhenden Lust willen sich verliert. Darum wagt die Schrift das Schlechte nur „mühereich“ (πονηρός) zu nennen, während die rechten Werke dahin nachfolgen, wo Mühe und Trauer weg müssen (Offb. 14, 13).

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 Nichts ist dem Zerstörer des Lebens wertvoller, als wenn ein Mensch Raum und Zeit für Größen hält, die in ihrem Wechsel und Wandel das in und auf ihnen Geschehene verdrängen und vergessen machen, als ob nicht beide Kategorien, wie sie aus der Ewigkeit geboren sind, zu ihr zurückkehren müßten, verwertet oder entwertet, entweiht oder geweiht. Die Scholle, ein Atom der Welt, die mein Ich zu bebauen hat, wird das ihr, wenn auch nicht mir entsprechende Gegenstück in der Ewigkeit finden, und die kurze Spanne Zeit, Menschenleben geheißen, wird in den ewigen Hütten Freunde oder Feinde finden. Man erlebt sich immer zweimal. Entweder wird das Leben am Standort des Gewordenseins die

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Hermann von Bezzel: Die Heiligkeit Gottes. Dörffling & Franke, Leipzig 1916, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Die_Heiligkeit_Gottes.pdf/4&oldid=- (Version vom 9.9.2016)