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den Jüngern immer näherzukommen, die in der Nähe des sichtbaren Heilandes zagten und zweifelten, in seiner räumlichen Geschiedenheit mit Freuden ihr Werk ausrichteten, die sich fürchteten, wenn er ihnen nahe war, um getrost zu werden, als er ihnen ferne trat. Denn die Unsichtbarkeit weckt den Willen zum Glauben und erhebt den Glauben zum Willen, der Jesu nach die Welt überwindet, wie er sie überwunden hat. So, der Rechenschaft über seine Erdenarbeit und der Gewißheit über das Werk der Jünger für die Welt ein letztes Wort und Gebet gönnend, bittet Jesus, der, nicht mehr in der Welt, die Seinen in der Welt weiß, den Vater aller Lebensausgeschlossenheit, als der die ihm vermeinten Anfänge kraft seiner Allmacht zu Ziel und Ende führen muß, daß er die Jünger in dem Lebensverhältnisse zu seinem ihnen geoffenbarten Wesen erhalte und also in dem einigenden, Unterschiede zu höherer Harmonie erhebenden Lebensgedanken zusammenbringe. Wahrlich hier, in dem Glanze neutestamentlicher Erfüllung der gesamten Gottessatzung und des durch Gott gesetzten Wesens, versteht der Christ, was heilig ist, nämlich Obmacht über alle dem Endgedanken Gottes sich entgegensetzenden Hemmungen und Hindernisse und Verwirklichung der Wahrheit auf Grund der ewigen Wahrhaftigkeit. Vor dem Auge des Herrn dehnt sich, so gar anders wie in den Tagen der Versuchung, die aus Liebe geschaffene, durch Liebe verneute, zur Liebe bestimmte Gotteswelt mit den gottgestifteten Realitäten hin, in der alles Große, Reiche, Reine und Echte zur Vollgestalt sich erheben muß. An diese Wunderwelt wagt sich die Verneinung und der Zerstörungswille vergebens heran. Die Heiligkeit vollführt, was sie verlangt, daß alles neu werde, wie es in ihr neu ist, und neu bleibe, wie es durch sie neu ward. In die Siegeslieder dringt der Ruf der Ohnmacht nicht störend und verstimmend, sondern als Unterton der Überwundenen herein. Nun sind alle Reiche der Welt Gottes und seines Christus geworden (Offb. 11, 15). Das „Nun“, welches Raum und Zeit abschließt und ausschließt, ist der Markstein der Heiligkeit, die das „Es ist vollbracht“ vom Kreuze zu dem „Es ist geschehen“ vom Thron (Offb. 21, 6), die Wahrheit zur Wirklichkeit erhoben und verklärt hat. Wenn dann Jesus weiter an die „Gerechtigkeit“ des Vaters appelliert (Joh. 17, 25), so ist eben in seinen Augen die Heiligkeit des Vaters in ihrer praktischen Folgerung und tätigen Auswirkung die zu seinem Worte stehende Wahrhaftigkeit und Gewissenhaftigkeit, auf die hin der Herr die Bitte um Verklärung der Jünger wagen darf.

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Hermann von Bezzel: Die Heiligkeit Gottes. Dörffling & Franke, Leipzig 1916, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Die_Heiligkeit_Gottes.pdf/18&oldid=- (Version vom 9.9.2016)