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versucht und doch nie auf seiten der Sünde, mit den Möglichkeiten der Sünde vertraut und eben darum ihnen siegreich widerstehend, zur Sünde und zum Fluche gemacht, weil er beides nicht war noch es kannte, in sich ganz geeint, weil mit dem Vater eins und darum ein Zeichen, dem widersprochen wird, weil Ansehen und Wirklichkeit so sehr von der Wahrheit des Fürgottseins entfernt schien. Liebe gab ihm die Geißel in die Hand, und Zorn über die Verführung ließ ihn über die Verführten weinen. Auf seinem Antlitz thronte die richterliche Majestät, vor der die Häscher und Verräter erbebten, aber auch die Leutseligkeit und Lindigkeit, die den Kindern das Herz auftat. Sündlos war er, nicht in eisiger Selbstgenugsamkeit den Sündern fern, sondern voll Mitleids mit den Schwachen. Und wo Sünder ihn suchten, da nahm er sie auf. In die Wahl gestellt, ob er Gott oder die Menschheit lassen sollte, opfert er sich beiden auf, dem Zürnenden zur eigenen Genugtuung, dem Zornbelasteten zu bleibendem Frieden. Heiligkeit ließ ihn eine kleine Zeit von Gott verlassen sein, und Heiligkeit ließ ihn viele Kinder zur Herrlichkeit führen. Eingetreten zwischen Gottes Rechtsanspruch und der Menschen Unvermögen, ihn zu erfüllen, angerufen durch die Sehnsucht nach dem geöffneten Himmel, den heiliger Zorn verschloß, hat er dieses getragen und jenen bezahlt. Was in Gottes Heiligkeit als Gedanke lebte, dem Zorn entzogen und doch aus Zorn geboren, das ist in Jesu Tat und Werk geworden. Und die Gemeinde singt im großen Gloria allsonntäglich: Du allein bist heilig, du bist allein der Herr.

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 In dem Gebete, dem der alte Rostocker Lutheraner Chyträus den Namen des hohenpriesterlichen gegeben hat (Joh. 17, 11 u. 17, 25), nennt Jesus seinen Vater „heilig“ und „gerecht“. Er schickt sich an, die überwundene Welt zu verlassen und die gewonnenen Jünger mitten in ihr zur Arbeit auszusenden. An einem offenen Grabe, aus dem die todesmächtige Größe des Lebensfürsten emporgestiegen ist, soll der Weg der Wanderer immer wieder vorübergehen, der sie den Lebendigen nimmer bei den Toten suchen lassen wird. Sie sollen wissen, daß die göttliche Heiligkeit, die Absolutheit des Lebens das letzte Wort allezeit behalten wird, auch wenn alles ihm widersprechen und widerstehen wollte. Und wenn sie trauern, daß ihr Meister der Sichtbarkeit entnommen ist, mögen sie daran denken, daß wir sichtbar, zeitlich, er aber, der Überzeitliche, zum Beweis seines Sieges in die Unsichtbarkeit heimkehren mußte, heimkehrte, nicht um sich zu fernen, sondern um

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Hermann von Bezzel: Die Heiligkeit Gottes. Dörffling & Franke, Leipzig 1916, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Die_Heiligkeit_Gottes.pdf/17&oldid=- (Version vom 9.9.2016)