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es der Fall sein kann, in eine kindlich ideale einzuführen. Den Epileptischen gegenüber gilt: beharren in der Liebe! Nicht Liebesanfänge, sondern allzeit geduldig sein! – Wenn aber auch an einem vielgenannten und vielumklagten Orte mit der Blödensache begonnen wurde, so mag das zur Bürgschaft dienen, daß diese Berufstätigkeit uns verbleibt; man wird es uns danken, wenn wir Häuser und Räume auftun, um solchen zu dienen, von deren Anblick die Welt möglichst bald sich befreit sehen will. Anerkennungsbedürftigkeit ist immer ein Zeichen von Schwäche; bei der Blödenpflege gibt es nur eine Anerkennung, von der wir im Evangelium Matth. 25, Vers 45 vernehmen. 1854, 1864, 1866, 1891, 1893: lauter Zahlen und Zeichen Seines Erbarmens mit den Blöden! – Und wenn am Ende der Tage sich diese Armen zu mehren scheinen, sollte man hier „alles verkaufen und ihm nachfolgen!“ –

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 Die andere Aufgabe der Magdalenenpflege ist gewaltiger: weil hier nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen ist, sondern mit unfaßbaren, aber doch spürbaren Kräften finsterer Mächte. Sie ist deshalb für Diakonissen so schwer, weil das Weib sein Fleisch so sehen muß. Wenn einmal eine Zeit kommen wird, wo schreiende, hier nicht einmal anzudeutende Greuel auch männliche Magdalenien erfordern, wird das Beben auch an uns Männer kommen, die wir jetzt noch ruhiger der Frage an sich gegenüberstehen, bekümmert nur darüber, daß so viele Schurken und Verführer in unserem, zum Schutze des Weibes bestimmten Geschlechts sich finden. Nun bleibt es zunächst dem weiblichen Geschlecht vorbehalten, in diese furchtbaren Tiefen der Sünde zu sehen, welche das Herz ausbrennt bis in die geheimsten Gründe. Andere Sünden mögen das Herz ausdörren, aber ein Regen Gottes vermag es wieder zu erweichen. Die Sünde wider das 6. Gebot läßt das Herz traurig zurück, daß wenig mehr zu hoffen ist. Die Sünde durchdringt den weiblichen Organismus weit gewaltiger als den männlichen, erfaßt nicht nur das Weib, sondern die Weiblichkeit, infiziert