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Worte diese Lebenskräfte, welche irgend einer Erscheinung ihre Berechtigung verleihen, Ideale. Daran also erkennt man die Berechtigung irgend einer Lebensform, ob sie noch Ideale hat. Es kann ein Mensch ohne Ideale leben, so kann auch Menschenwesen ohne Ideale sein – die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit ist nicht ausgeschlossen – aber die Berechtigung des Lebens geht jedem Menschenleben und -Wesen ab, das der Ideale ermangelt. Das Wort Ideal muß in der Zeit, in der wir leben, mit besonderem Ernst betont werden, im Gegensatz zu der sog. realistischen Auffassung des Lebens, welche die Dinge nimmt, wie sie sind, und nicht, wie sie sein und werden sollen. Man vergißt, daß man mit dieser wirklichen und tatsächlichen Anschauung des Lebens der Sünde die größtmögliche Berechtigung zugesteht, daß man eine Macht als mindestens gleich berechtigt einordnet, welche erst von außen her in dies von Gott so begnadete Leben eingetreten ist; ja man verleiht der Sünde größere Macht und Bedeutung als dem Guten. Die realistische Auffassung des Lebens zeigt sich auch nicht zum mindesten in der Entwicklung der Kirche Gottes auf Erden. Die neuere Theologie ist eine Theologie der Diesseitigkeit, sie vergißt das apostolische Wort, daß unser Bürgerrecht nicht hinieden ist, daß wir eine Schar von Wanderern sind, die keine bleibende Stätte hier haben, noch haben dürfen. Wenn also große kirchliche Bewegungen, ohne ihnen Unrecht zu tun, mit dem Namen der Diesseitigkeit sich bezeichnen lassen, so liegt zu nahe, daß diese Diesseitigkeit alle Bewegungen infizieren und ankränkeln kann. Wenn nun Bewegungen nicht von sich selbst hinaus- und weggehen zum ewigen Ziel, sondern von Tatsachen zu Tatsachen eilen, ohne zu berücksichtigen, daß wir eben diese Tatsachen zu ändern haben und daß dies das Geheimnis der täglichen Reue ist – wenn diese Bewegungen um sich greifen, so liegt die Angst nahe, daß unsere Kirche stirbt. Denn nur die Kirche wird leben, die Ideale hat.

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 Die rein idealistische Anschauung aber, welche mit dem Gegebenen nicht mehr zu rechnen vermag und nur