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versammeln sollten. Ach, wie viele Leidenschaften werden besonders an solchen Tagen rege! Wer sich etwas auf seine Klugheit einbildet, meynt diese Tage nicht besser feyern zu können, als wenn er laut die Gesetze, Anordnungen und Einrichtungen seiner Obrigkeit tadelt! Wer bei übelverstandenem Freiheitssinn nicht genug Freiheiten zu genießen meynt, glaubt sich berufen, mit unbescheidenem und lieblosem Gerede über die Obrigkeit auch Andere zur Unzufriedenheit reitzen zu müssen. Wer bei überspannten Forderungen an die Obrigkeit in seinem Stande und Berufe nicht so viel, als sein gewinnsüchtiges Herz sich wünscht, gewinnen, nicht so viel Vortheile, als sein eigennütziges Herz begehrt, erjagen kann, der scheut sich nicht, an solchen Tagen die unverständigsten Beschwerden, die ungegründetesten Klagen über die Obrigkeit zu führen, und dadurch auch Andere zu gleicher Verkehrtheit und zu gleicher Lieblosigkeit zu verleiten. Und wie sehr ihm das gelingt, ach! das lehrt die Erfahrung zur Genüge.

 Ja, es kann nicht geläugnet werden, daß es kaum je eine Zeit gegeben hat, in welcher eine so hochmüthige Einbildung auf eigene Klugheit, ein so übel verstandener Freyheitssinn, und so überspannte Forderungen an die Obrigkeit so viele Unterthanen eingenommen hätten, als heutzutage. Wie sollten nun die, denen bei ihrer Einbildung, bei ihrem Freyheitsschwindel und bey ihrem Undanke die Obrigkeit nicht genug thun, nichts recht machen kann, die sich einbilden, alle Obrigkeit meistern zu können und meistern zu müssen, – an den Geburts- und Namensfesten ihrer Landesherrschaft in ihrem Herzen sich gedrungen fühlen, ihr zu Ehren in der Kirche sich einzufinden, ihr zu lieb eine Stunde ihren Geschäften, oder ihrer Gemächlichkeit oder ihrem Vergnügen zu entziehen und diese in der Kirche zuzubringen!?