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als sie? Von wem fordert Gott und die Menschheit mehr, als von ihnen? Auf wen wartet eine so große Verantwortung und eine so schwere Rechenschaft, als auf sie? Und bey allen dem, wer ist mehreren und größeren Versuchungen, statt eines Segens, ein Fluch für ein ganzes Land zu werden, ausgesetzt, wem wird mehr mit ermüdendem Undanke gelohnt, wem werden beym besten Willen so viele Hindernisse in den Weg gelegt, mit Einem Worte, wem wird sein Amt von so vielen Seiten so sehr erschwert, als treuen Fürsten und Königen? Wer wäre also mehr der Danksagung aller Unterthanen gegen Gott würdig, wer mehr der Fürbitte aller Unterthanen bedürftig, als eben sie? der Fürbitte, daß Gottes Gnade sich an ihnen verherrlichen und zur Handhabung des Rechts und der Gerechtigkeit ihnen Kraft geben, und der Herr sie durch seinen Geist erleuchten wolle, ihn zu fürchten, als den Allerhöchsten, und ihr Volk zu regieren zu seinem Preiße?

 Dieses Gebotes der Fürbitte und der diesem Gebote beygefügten Verheißung ist auch der wahre Christ allzeit eingedenk. Täglich betet er daher für seinen König und für sein königliches Haus; vorzüglich aber thut er für die Obrigkeit Bitte, Fürbitte und Danksagung an solchen Tagen, an welchen die Kirche zum gemeinschaftlichen Gebete für die Obrigkeit auffordert; und dieß thut er nicht um des Zwangs und des Scheins, sondern um des Gewissens willen; aus Antrieb seines Herzens findet er sich da im Hause des Herrn ein, fern von dem kindischen Wahne, als erfülle er seine Unterthanenpflicht an solchen Tagen schon, wenn er nur auf das Wohl seiner Obrigkeit sich festlich ankleidet, auf das Wohl derselben ißt und trinkt.

 Wie viele Christen giebt es aber heutzutage, die nicht einmal mehr für sich selbst beten mögen und können,