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verziehen,[1] dir Bruder Carl danke ich noch in’s besondre für deine in dieser leztern spätern Zeit mir bewiesene Anhänglichkeit,[2] Mein Wunsch ist, daß ich euch ein bessers sorgenvolleresloseres Leben, als mir, werde, emphelt euren nach Kindern Tugend, sie nur allein kann glücklich machen, nicht Geld, ich spreche aus Erfahrung, sie war es, die mich selbst im Elende gehoben, ihr Danke

Dritte Seite des Autographs

{Dritte Seite des Autographs}

ich nebst meiner Kunst, daß ich durch keinen selbstmord mein Leben endigte – lebt wohl und liebt euch; – allen Freunden danke ich, besonders fürst Lichnovski und P[r]ofessor schmidt – die Instrumente von fürst L.[ichnowsky][3] wünsche ich, daß sie doch mögen aufbewahrt werden bey einem von euch, doch entstehe deswegen kein Streit unter euch, sobald sie euch aber zu was nüzlicherm dienen können, so verkauft sie nur, wie froh bin ich, wenn ich auch noch unter meinem Grabe euch nüzen kann – so wär’s geschehen - mit freuden eil ich dem Tode entgegen – kömmt er früher als ich Gelegenheit gehabt habe, noch alle meine Kunst-Fähigkeiten zu entfalten, so wird er mir troz meinem Harten Schicksaal doch noch zu frühe kommen, und ich würde ihn wohl später wünschen – doch auch dann bin ich zufrieden, befreyt er mich nicht von einem endlosen Leidenden Zustande? – Komm, wann du willst, ich gehe dir muthig entgegen – lebt wohl und Vergeßt mich nicht ganz im Tode, ich habe es um euch verdient, indem ich in meinem Leben oft an euch gedacht, euch glücklich zu machen, seyd es –


Ludwig van Beethowen

Heiglnstadt am 6ten october 1802


Vierte Seite des Autographs

{Vierte Seite des Autographs}

{am rechten Rand, um 90° gedreht}

für meine Brüder Carl und {Leerraum} nach meinem Tode zu lesen und zu vollziehen –


{Auf dem Kopf stehend}

Heiglnstadt am 10ten oktober 1802 – so nehme ich den Abschied von dir – und zwar traurig – ja dir geliebte Hofnung – die ich mit hieher nahm, wenigstens bis zu einem gewissen Punkte geheilet zu seyn – sie muß mich nun gänzlich verlassen, wie die blätter des Herbstes herabfallen, gewelkt sind, so ist – auch sie für mich dürr geworden, fast wie ich hieher kamm – gehe ich fort – selbst der Hohe Muth – der mich oft in den Schönen Sommertägen beseelte – er ist verschwunden – o Vorsehung – laß einmal einen reinen Tag der Freude mir erscheinen – so lange schon ist der wahren Freude inniger widerhall mir fremd – o wann – o Wann o Gottheit – kann ich im Tempel der Natur und der Menschen ihn wider fühlen – Nie? – nein – o es wäre zu hart




{Im Autograph folgen noch zwei Eintragungen von anderer Hand}

{unter dem Text, um 90° gedreht}

Erhalten am 21ten 9ber 1827 aus den Händen des Herrn Artaria et Comp. am Kohlmarkte.
Jak. Hotschevar

Erhalten aus den Händen des Herrn Jakob von Hotschevar.

Johanna van Beethoven.

  1. Ries berichtet von Auseinandersetzung im Sommer oder Herbst 1802 mit dem Bruder Kaspar Karl, die bis zur Handgreiflichkeit gereichten. Beethoven soll dem Bruder anschließend einen Brief geschrieben haben, dessen Inhalt Ries folgendermaßen wiedergibt: „Eine schönere Moral hätte wohl keiner mit gütigerem Herzen predigen können, als Beethoven seinem Bruder über sein gestriges Betragen. Erst zeigte er es ihm unter der wahren, verachtungswerthen Gestalt, dann verzieh’ er ihm Alles, sagte ihm aber auch eine üble Zukunft vorher, wenn er sein Leben nicht völlig ändere“, s. Wegeler/Ries S. 88.
  2. seit 1801 half Kaspar Karl seinem Bruder zunehmend durch Erledigung von Geschäfts-Korrespondenz.
  3. Es handelt sich um ein „Streichquartett“, eine Violine und ein Violoncello von Guarneri, eine Geige von Amati und eine Bratsche aus dem Jahre 1690. Sie befinden sich jetzt im Beethovenhaus Bonn.
Empfohlene Zitierweise:
Ludwig van Beethoven: Heiligenstädter Testament. off, off 1802, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heiligenst%C3%A4dter_Testament.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)