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einem schlanken, spitzen Turme. Die Gerichtsstube, in der der Kanzler Crell seine drei letzten Lebenstage verbrachte (s. Nr. 7) und Frau v. N. weit über ein Jahr in Haft gehalten wurde, lag im zweiten Obergeschoß.


Nr. 22. Neitschütz, Magdalene Sibylle, 1675–1694, Tochter des Generalwachtmeisters Rudolf v. Neitschütz, Geliebte Johann Georg IV. Dieser lernte sie kennen, als sie im 14. Lebensjahre stand und entbrannte in so heftiger Leidenschaft für die „üppige, aber geistlose und unwissende Schönheit“, daß er nicht wieder von ihr lassen konnte. Obgleich er seit 1692 mit der verwitweten Markgräfin von Anspach vermählt war, soll er (nach Vehse) die Absicht gehabt haben, seine geliebte S. zu seiner zweiten Gemahlin erklären zu lassen. Zunächst wurde sie auf des Kurfürsten Betrieb durch den Kaiser zur Reichsgräfin von Rochlitz erhoben. 1692 hatte Johann Georg IV. seiner Geliebten das im Besitz Nossenis gewesene Haus, zuletzt Schloßplatz 1, geschenkt und für sie einen eigenen Hofstaat eingerichtet. Im März 1694 erkrankte S. an den Blattern und starb den 4. April. Bei dem Begräbnis, das am 12. desselben Monats stattfand, mußte die gesamte Bürgergarde Dresdens in schwarzer Kleidung mit Ober- und Untergewehr versehen, von S's. Wohnhause beim Schlosse bis zur Sophienkirche Kette bilden. In die unter dem Altar dieses Gotteshauses 1603 hergestellte fürstliche Gruft wurde die Leiche eingesenkt. Johann Georg IV., der sich weder von seiner kranken, noch von seiner toten Geliebten trennen wollte, wurde infolgedessen ebenfalls von den Blattern befallen und starb daran am 27. April. Da er keine Kinder hinterließ, folgte ihm in der Regierung sein jüngerer Bruder Friedrich August; dieser ließ bereits am 30. April die Leiche der N. ausheben und außerhalb der Kirche eingraben.

Wie bereits angegeben, hat Johann Georgs IV. Geliebte während ihrer zwei letzten Lebensjahre in dem ihr geschenkten Hause nahe der Brücke, zuletzt Schloßplatz 1 (O.-Nr. 1) gewohnt (s. Nr. 26). Häufig weilte sie in der Sommerzeit in dem 1692 vom Kurfürsten erkauften schönen Reisewitz'schen Garten, in dem er für sie an der Hofmühlenbrücke in Plauen das sogenannte Wasserschlößchen erbauen ließ, das 1891 abgebrochen worden ist. Es stand auf der vorderen großen Hälfte der Anlagen am Anfange der Kielmannseggstraße.


Nr. 23. Permoser, Balthasar, 1650–1732, kurfürstlicher Hofbildhauer. Schon als Knabe verriet er seine künstlerische Begabung, bildete sich in Salzburg, Wien, Rom und Florenz zum Bildhauer aus und wurde von Johann Georg III. 1689 nach Dresden berufen, wo er bis zu seinem Tode gewirkt und viele herrliche Werke geschaffen hat. Das erste derselben war wohl „Der fliegende Saturn“, vom Volksmunde als „Der Tod“ oder „Die Zeit“ bezeichnet, jene überlebensgroße Figur eines Greises mit der Sanduhr in der einen und der Sense in der anderen Hand. Das Steinbildwerk, das die Erinnerung an den großen Brand der Neustadt im August 1685 wacherhalten sollte, ragte bis 1874 aus der Ecke des früher dem Blockhause gegenüberstehenden Brauerschen Gebäudes