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den Botanischen Garten besehen und diese herrlichen Abende recht genießen. Auch kann ich Ihnen manches zeigen; es gibt Privatsammlungen hier, die Sie gewiß noch nicht kennen. Nur wünsche ich nicht, daß davon gesprochen wird“, fügte er hinzu. Wie beglückt war ich durch diese unerwartete Güte. – Beim Besuch der Galerie am nächsten Vormittage flüsterte Goethe der Malerin unbemerkt zu: „Ich hole Sie heute mit dem Wagen ab, wir fahren zusammen spazieren.“ Er hielt Wort. L. S. erzählt weiter: Gegen Abend kam wirklich der Wagen. Goethe und Seebeck[1] saßen darin; wir fuhren an dem herrlichen Abend durch Dresdens reizende Umgegend. So geschah es mehrmals – ich erlebte köstlichste Stunden, „Wo mag Goethe nur die Abende zubringen?“ hört ich oft die Freunde fragen. „Riemer (der Freund und oft Begleiter des Dichters, der auch jetzt mit ihm im Goldenen Engel wohnte) weiß auch nichts davon!“ Ich hütete mich natürlich, zu plaudern und meinem Versprechen untreu zu werden; als armes, keineswegs immer herzlich willkommen geheißenes Anhängsel so mancher gesellschaftlichen Vergnügung fand ich im Gegenteil eine Art von stolzem Behagen daran, von dem allverehrten Manne im stillen so begünstigt zu sein. – In einem Briefe, den L. S. am 4. Januar 1811 an den ihr befreundeten späteren Arzt Dr. Schröder in Hamburg richtete, teilte sie ihm mancherlei über ihr Zusammentreffen mit Goethe in Dresden mit und bemerkte u. a.: „Er war mir ein väterlicher, gütigster Freund, der die größten Aufmerksamkeiten für mich hatte, mich nicht nur bei meinen Arbeiten unendlich aufmunterte, sondern mich auch dreimal selbst besuchte, mich überall mit hinnahm, mich in allem auszeichnete und sich außer um Seebeck, der beständig mit ihm war, gar nicht um die anderen bekümmerte. Wie wohl mir dies tat, brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen.“ (Uhde S. 62.) „Goethes Abschied von Dresden wurde mir erleichtert durch seine Einladung, ihn im Winter in seinem Hause zu besuchen. Er wollte mir erlauben, ihn zu malen, um mich dadurch als Portraitmalerin bekanntzumachen. Auch wünschte er, daß ich ihm meine Arbeiten zuschicke, damit er sie den Weimarischen Fürstlichkeiten zeige" (S. 64). Ende September wurde die Gemäldegalerie geschlossen, und deshalb kehrte L. S. wieder ins Elternhaus zurück.

Hinzugefügt sei, daß sie auf eine erneute Einladung Goethes diesen wohl im Oktober 1810 in Weimar besuchte und ihn auf seinen Wunsch in Trockenfarben malte. „Zu meinem höchsten Stolze“, berichtet die Künstlerin, „sprach sich das Original befriedigt über das Bild aus. Es durfte mein Eigentum bleiben, damit es mir noch nützlich würde. Ich hütete es; erst 1863 ließ ich es zum Besten einer Berliner Gymnasialstiftung vervielfältigen.“

Nach ihren eigenen Aufzeichnungen wohnte L. S. während ihres ersten Aufenthaltes in einem Hause der Ostra-Allee bei einer älteren Doktorswitwe, von der die Malerin nur ein Stübchen abgemietet hatte,

  1. Der geistvolle Dr. Seebeck war ein berühmter Physiker in Jena, mit Goethe befreundet, und sah diesen öfters als Gast in seinem Hause. L. S. kannte ihn bereits.