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zu seinem hiesigen Gesandten, den Baron de Serra begeben. Die Wohnung desselben befand sich im Hause des Kammerherrn Grafen v. Loß (zuletzt bis zu seinem Abbruche Kreuzstraße 10, s. Nr. 80), war aber dem Kutscher unbekannt und sie konnte erst nach dem mißglückten Versuche bei einem herausgeklingelten Arzte in der Moritzstraße mit Hilfe eines Nachtwächters festgestellt und erreicht werden. Nachdem der Kaiser sich hier gründlich ausgewärmt und seinen Gesandten angewiesen hatte, seine Anwesenheit streng geheimzuhalten, wollte er noch in der Nacht dem König Friedrich August einen Besuch abstatten. Dieser aber war von des Kaisers Anwesenheit bereits in Kenntnis gesetzt worden und erschien sehr bald in de Serras Wohnung. Natürlich berichtete ihm N. das Wesentlichste über den unglücklichen Ausgang seines Feldzuges nach Rußland, gab aber auch bekannt, er werde möglichst bald mit einer sehr starken Armee aus Frankreich zurückkommen und den Krieg fortsetzen. Länger als eine Stunde war der König beim Kaiser geblieben, dann verabschiedete er sich. Nachdem N. zwei Briefe diktiert hatte, von denen der eine seinem Schwiegervater, der andere dem König von Preußen geschickt werden mußte, bestieg der Kaiser früh ½8 Uhr den ihm zur Verfügung gestellten, auf Schlittenkufen gesetzten königlichen Wagen und verließ ganz in der Stille Dresden, dessen Bewohner freilich sehr bald nach seiner Abreise erfuhren, welcher berühmte Gast sich einige Stunden hier aufgehalten hatte. (Genaueres im Dresdner Anzeiger 1909, den 29. März, S. 29.)

Im hiesigen Stadtmuseum war seit 1890 bis in die letzten Jahre ein kurzer, leichter, offener, im Innern einsitziger Schlitten aufgestellt, den man augenscheinlich erst später nach hinten zu verlängert und mit einer Pritsche für den Kutscher versehen hat. Dieser Jahrzehnte lang auf dem Boden des Loß'schen[WS 1] Hauses aufbewahrte Schlitten sollte nach Meinung der Hausbewohner derjenige gewesen sein, den N. auf seiner Rückreise aus Rußland benutzt, aber wegen seines gebrechlichen Zustandes in Dresden zurückgelassen habe. In dem in Nr. 2 der Dresdner Geschichtsblätter des Jahres 1899 veröffentlichten Aufsatze „Der angebliche Napoleon-Schlitten“ weist Ratsarchivar Dr. Richter nun nach, daß der im Stadtmuseum vorhandene Schlitten unmöglich vom Kaiser auf seiner Reise nach Dresden benutzt worden sein könne. Er stützt sich dabei auf ein 1862 in Paris erschienenes und später auch für die Dresdner Stadtbibliothek angekauftes Buch, „das ein Bruchstück aus den unveröffentlichten Memoiren des ehemaligen französischen Gesandten Baron Paul de Bourgoing enthält“. Was er darin mitteilt, ist einem schriftlichen, ihm zugänglich gewesenen Berichte entnommen, den der polnische Ordonnanzoffizier Graf Wonsowicz, ein Begleiter N's. auf seiner Rückreise aus Rußland, abgefaßt hat. Nach demselben konnte der vom Kaiser zur Fahrt anfangs benutzte Wagen bei dem hohen Schnee nur bis zur Poststation Gragow (Grajewo?) Verwendung finden. Deshalb wurde nun hier auf Befehl N's. eine „sehr bequeme Berline, d. h. ein viersitziger geschlossener Reisewagen“, der aber auf Schlittenkufen stand, nach vieler Mühe erworben und vom Kaiser mit zwei Begleitern und seinem Mamelucken zur Weiterreise bis nach Dresden benutzt. Weil

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Löß'schen. Korrektur gemäß Register und Erwähnung Kammerherr v. Loß im vorhergehenden Absatz