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hatte er auch ruhigere Stunden. Als er sich in einer solchen von dem auf seiner Seele lastenden furchtbaren Drucke freier fühlte, ließ er sich herbei, seinem Freunde Pfuel die drei ersten Szenen des 1806 vollendeten Lustspiels „Der zerbrochene Krug“ in die Feder zu diktieren.

Nachdem K. wieder vier wechselvolle und unruhige Jahre hinter sich hatte, wollte er sich in der ihm besonders liebgewordenen sächsischen Königsstadt niederlassen und sich ganz der Dichtkunst widmen. Im September 1807 langte er hier an und bezog die ihm von seinem Freunde Rühle ermietete Wohnung in dem Hause Äußere Rampische Gasse Nr. 123, jetzt Pillnitzer Straße 29 (O.-Nr. 233). Hier vollendete der Dichter nicht nur das Trauerspiel „Penthesilea“, sondern schuf auch das Ritterschauspiel „Das Käthchen von Heilbronn“, die gewaltige Bühnendichtung „Die Hermannschlacht“ und zum größten Teil den Roman „Michael Kohlhaas".

Um das Andenken an den leider erst nach seinem Tode zu höchster Anerkennung gelangten Dichter in unserer Stadt wach zu erhalten, ließ die Tiedge-Stiftung im Januar 1906 über dem zweiten Obergeschoß von K's. Wohnhause, Pillnitzer Straße 29, eine in Kupfer getriebene Gedenktafel anbringen. Sie zeigt das Kopfbild des Dichters in erhabener Arbeit und die Jahreszahlen 1777–1811. Gleichzeitig wurde über der Haustür eine bronzene Widmungstafel eingelassen, die die Inschrift trägt:

„Hier wohnte Heinrich von Kleist l807–1809.“

Als Unterschrift liest man die Worte:

„Dem edeln Dichter und Vaterlandsfreunde
die Tiedge-Stiftung zu Dresden.“

Dazwischen stehen die Kleist'schen Verse:

„Frei auf deutschem Grunde walten
Laßt uns nach dem Brauch der Alten,
Seines Segens selbst uns freun:
Oder unser Grab ihn sein!“

Links auf der Widmungstafel ist Prometheus mit dem Adler, rechts eine Muse mit der Leier angebracht.

Während der letzten Monate von dem diesmaligen langen Aufenthalte des Dichters in Dresden wohnte er im Dachgeschoß der 1913 abgebrochenen alten Löwenapotheke, damals Wilsdruffer Gasse Nr. 194, jetzt Wilsdruffer Straße 1 (O.-Nr. 603). Hier schuf K. seine von höchster Vaterlandsliebe zeugenden Gedichte: „Germania an ihre Kinder“ und das „Kriegslied der Deutschen“.

Die Jahre, die K. in unserer Stadt zugebracht hat, sind die schönsten seines Lebens gewesen. Hier trat er mit einer größeren Anzahl hervorragender Menschen in Verbindung, die ihn schätzten und seinen Werken hohe Anerkennung zollten, so daß er sich in ihren Kreisen wahrhaft wohlfühlte. So verkehrte der Dichter außer mit seinen schon erwähnten Freunden Pfuel und Rühle mit dem Naturforscher Gotthilf Heinrich von Schubert, dessen Vorträge er fleißig besuchte, sowie mit dem gerade