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Waisenhausstraße um 1750 erbauten, 1899 aber abgebrochenen Boxberg'schen Palais, das dem Zentraltheater Platz machen mußte, schmückte der Künstler 1756 den im Erdgeschoß gelegenen Gartensaal mit einem sinnbildlichen Deckengemälde. Ein anderes derartiges Gemälde, das sich jetzt in dem sogenannten Rokokozimmer des Kgl. Kunstgewerbemuseums befindet, soll ebenfalls von Oe. herrühren. Von seinen Bildern besitzt unsere Galerie nur eins, die Kinder des Künstlers darstellend. – Seine Bildhauerarbeiten, darunter ein Standbild des ersten Sachsenkönigs Friedrich August und ein Denkmal für Gellert, haben in Leipzig Aufstellung gefunden. Die Zahl der von Oe. gefertigten Radierungen beträgt etwa 50. Nicht unerwähnt möge bleiben, daß der Künstler dem jungen Goethe zwei Jahre lang Unterricht im Zeichnen erteilte.

Wie die Allg. Dr. Biogr. Bd. 43 Seite 351 berichtet, wohnte Oe. während seines Aufenthaltes in Dresden „Frauengasse in Rietschels Hause“. Der damalige Besitzer desselben war der Posamentier Johann Gottlieb Rietschel, der es 1741 gekauft hatte und von dem es 1763 an den Sohn überging. Es ist jetzt das Gebäude Galeriestraße 7 (O.-Nr. 815). Hier gewann der Künstler in dem berühmten Winckelmann einen seiner treuesten Freunde.


Nr. 114. Winckelmann, Johann Joachim, 1717–1768, der Vater der heutigen Altertumsforschung und hochberühmter Kunstgelehrter, fand 1748 beim Grafen Heinrich v. Bünau auf Nöthnitz als Verwalter von dessen sehr umfangreicher Bücherei eine ihm ungemein zusagende Stellung. In dem nahegelegenen Dresden besuchte W. zum Zwecke eingehender Studien möglichst oft die Gemäldegalerie, trat auch mit einigen hervorragenden Männern der Kunst und Wissenschaft, z. B. mit dem kurfürstlichen Leibarzt Bianconi, dem Direktor der Kunstakademie Ludwig v. Hagedorn und dem Hofmaler Dietrich in engeren Verkehr. Seinem Herzen am nächsten stand der als Künstler nicht gerade hervorragende Maler Oeser, dessen Verdienst es aber ist, auf W. höchst anregend eingewirkt zu haben. Der gegenseitige eingehende Gedankenaustausch wurde für den Kunstgelehrten die Veranlassung, seine erste Schrift herauszugeben. Sie führt den Titel: „Gedanken über die Nachahmung der griechischen Wercke in der Mahlerei und Bildhauer-Kunst“, Dresden 1755, und war dem Kurfürsten Friedrich August III. gewidmet.

Im Oktober 1754 hatte W. seine Stellung in Nöthnitz aufgegeben, um sich von nun an längere Zeit in Dresden aufzuhalten, nachdem er bereits seit Ende 1753 bei seinem Freunde Oeser Zeichenunterricht genommen hatte. Nach Kade (Dresdner Stadtbibliothek Hist. Dresd. 18, Bl. 16) mietete er sich bei diesem im vierten Stockwerke des Hauses jetzt Galeriestraße 7 ein und zahlte für Stube und Vorzimmer monatlich sechs Reichstaler. Wegen seiner bescheidenen Geldmittel mußte er diese Wohnräume später aufgeben und sich mit einem Stübchen begnügen, das ihm Oeser für 3½ Tlr. überließ. In dem täglichen Verkehr lernte der Kunstgelehrte seinen Freund immer mehr schätzen; rühmte er ja von Oeser, daß er von ihm sehen und Kunstwerke beurteilen gelernt habe. – Gegen Ende September 1755 verließ W. unsere