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Es stutzt, wohl durch den Gesang eines Vogels aufgehalten, der links auf einem Zweige sitzt. Das Köpfchen des Rehes ist dem Beschauer zugewendet. Im Hintergrund ist der Wald, vorn sind Gräser und Kräuter. Man bemerkt auf der Skizze noch die Untermalung von früher: das Rehkalb war erst größer und weniger gelungen. Der Künstler hat auch hier gebessert und vervollkommnet.

Das Rehköpfchen allein hat Rayski verschiedenfach gemalt. Einmal sehen wir es zwischen Ästen und Blättern hervorblickend[1]. Ein andermal ist der Kopf eines Rehbockes im Frühjahr dargestellt, nach links gewendet, das große, kluge Auge auf den Beschauer richtend. Eigenartig ist hier die Aufnahme: das Tier ist noch im Bastgehörn gemalt, mit den grauen Winterhaaren im braunen Pelz. In der Farbengebung ist dieses Bild[2] vorzüglich. Der Meister soll es erst innerhalb der letzten zwölf Jahre seines Lebens gefertigt haben (also um 1880). Ich wage nicht, dies zu entscheiden[3].

Das Hauptwerk unter den Tierbildern Rayskis sind die um das Jahr 1863 gemalten „Wildschweine[4]. Ein Keiler verfolgt eine Bache wütend über eine Hügelfläche durch vertrocknetes Schilf und Gestrüpp. Dieses Bild ist, nachdem es auf der Jahrhundert-Ausstellung gebührende Beachtung gefunden hat, verschiedenfach reproduziert worden. Doch vermögen alle Nachbildungen nicht die Hauptsache wiederzugeben: den eigenartigen Farbenton, der gerade dieses Werk so interessant und wichtig macht. Die Bestrebungen, die Rayski bereits um 1850 und später auf Jägerbildern zum Ausdruck gebracht hatte, wandte er hier auf das Tierstück an: die Wirkung des Sonnenlichtes auf die Farben der Dinge zu schildern. Damit lieferte er ein neues, bedeutsames Beispiel für den in Deutschland damals noch unbekannten Impressionismus. Das Gemälde ist in drei Farben: Hellbraun, Violett und etwas Grün angelegt und breit, mächtig hingestrichen. Man sieht es noch deutlich, wie die Farbe über die Leinwand gleichsam gequollen ist. Trotzdem das Bild unvollendet geblieben ist – oder vielleicht gerade deshalb,


  1. Im Besitze der Frau von Jena in Halle.
  2. Im Besitze der Frau Oberleutnant von Seebach in Dresden.
  3. Eine ähnliche Darstellung eines Rehbockkopfes besitzt Herr Königl. Kammerherr Graf von Einsiedel auf Milkel bei Bautzen.
  4. Im Besitze des Herrn Kammerherrn von Schroeter auf Schloß Bieberstein. S. Abbildung.
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Ernst Sigismund: Ferdinand von Rayski. i. A. des Dresdner Geschichtsvereins, Dresden 1907, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heft20VereinGeschichteDresden1907.djvu/91&oldid=- (Version vom 21.2.2024)