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liegt doch etwas Schwermütiges in den Augen des Elfjährigen, etwas wie die Ahnung eines frühen Leides. An Feinheit der Seelenschilderung läßt dieses Gemälde viele andere des Meisters hinter sich zurück. Wir verstehen es daher, daß man gerade dieses Bild zur Erwerbung für die Nationalgalerie in Berlin ausgewählt (ein Hauptwerk war nicht zu erhalten) und einen bedeutenden Preis dafür bezahlt hat.

Der gleichen Zeit ist ein anderes Bildnis desselben Knaben zuzuweisen, das bisher noch unbekannt ist[1]. Hier hat Rayski seinen Liebling in Profil gemalt. Der feingebildete Mund, das schwermütige Auge, das lichtbraune Haar, das über das Ohr gestrichen ist und wellig in den Nacken fällt – alles das ist hier vorzüglich ausgearbeitet, sodaß dieses Brustbild der oben beschriebenen Halbfigur kaum nachsteht.

Den Winter 1855 zu 1856 verlebte Rayski, einer Einladung seines Vetters Ottomar Robert von Boxberg folgend, in dessen Hause zu Leipzig. Herr von Boxberg, damals 44 Jahre alt, war Major und Bataillonskommandeur. Er wünschte jetzt von dem Künstler gemalt zu sein. So entstand jenes lebensgroße Kniestück des Majors von Boxberg[2], eines der besten Offiziersbildnisse, die Rayski geliefert hat. Wir erblicken hier den Major stehend, in der damaligen Uniform der Jäger. Mit der linken Hand stützt er sich auf den Säbel, in der rechten hält er den Tschako. Das Bild ist nicht in seiner ursprünglichen Ausführung erhalten. Anfang der sechziger Jahre nahm der Maler selbst bedeutende Änderungen an dem Gemälde vor. Der Hintergrund – ursprünglich eine Wand in gelber Leimfarbe – wurde in einen entfernten, grünenden Wald umgewandelt; die Stellung des Säbels wurde verbessert, und auf der Brust des Porträtierten prangten von jetzt an zwei Orden, die er 1855 noch nicht besessen hatte. Dieses Bildnis gibt uns ein Zeugnis dafür, daß der Künstler nie sich fertig wähnte, sondern immerfort, wo er konnte, noch besserte und vervollkommnete. Rayski blieb bei aller Meisterschaft ein bescheidener Künstler.


  1. Im Besitze der Frau von Jena in Halle. (Etwa 0,61 m hoch und 0,485 m breit.)
  2. Im Besitze des Herrn Kammerherrn von Boxberg auf Großwelka bei Bautzen.
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Ernst Sigismund: Ferdinand von Rayski. i. A. des Dresdner Geschichtsvereins, Dresden 1907, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heft20VereinGeschichteDresden1907.djvu/77&oldid=- (Version vom 20.2.2024)