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Berliner Jahrhundert-Ausstellung erregte dieses Gemälde erst vor kurzem ungeheueres Aufsehen. An vorzüglich gewählter Stelle aufgehangen, beherrschte es den imposantesten Saal der Nationalgalerie, den sogenannten „Ersten Corneliussaal“. Mehrfach ist es reproduziert worden, in den Katalogen der Ausstellung ebenso wie in Kunstzeitschriften, und einstimmig war man des Rühmens voll über die hervorragenden künstlerischen Qualitäten, die sich in diesem Bilde aussprechen. Ein Werk, das in unserer schnellebigen Zeit nach mehr denn 60 Jahren eine so uneingeschränkte Anerkennung findet, muß außerordentlich sein. Und in der Tat kann sich der aufmerksame Beschauer dem Eindrucke nicht entziehen, den der Künstler hier mit einfachen Mitteln hervorgebracht hat.

Schon die Figur ist bewunderungswürdig ausgeführt. Ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle, im knapp anliegenden Gewande, wie jene Zeit es liebte, mit leichter Pose sich auf die hohe Lehne eines Stuhles stützend – so steht der Domherr vor uns. Aber diese Eleganz hat nichts Gesuchtes, sondern erscheint hier ganz natürlich. Mit besonderer Feinheit sind das Gesicht und die zarten Hände gemalt; leicht und gefällig ist die ganze Haltung. Durch die Zurückdrängung alles Beiwerkes tritt die Gestalt ausdrucksvoll, beherrschend hervor, und das Interesse des Beschauers bleibt auf den Hauptteil des Bildes, das Antlitz des Dargestellten, konzentriert.

Was aber dieses Gemälde in erster Linie bemerkenswert, ja epochemachend erscheinen läßt, ist die Farbengebung. Wie auf dem Bildnis des Fräuleins von Rayski, so herrschen auch hier zwei Farbentöne vor. Wie dort durch helle Töne das Jugendliche, Anmutige herausgehoben wurde, so hier durch die dunklen das Würdevolle, Gewichtige. Das sammetartige Schwarz, in dem das Bild größtenteils gehalten ist, wird wunderbar belebt durch die zarte Fleischfarbe des Gesichtes und der Hände und durch ein paar violette Lichter auf dem Sammetüberzug des Lehnstuhles. Wir haben hier eine Farbenharmonie vor uns, die in der damaligen deutschen Kunst einzig dasteht.

In Rayskis Nachlaß befinden sich vier Skizzen[1] zu dem eben geschilderten Bildnis, die insofern interessant sind, als sie den Werdegang dieses ausgezeichneten Werkes erkennen lassen. Es sei daher


  1. Im Besitze der Frau von Jena in Halle.
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Ernst Sigismund: Ferdinand von Rayski. i. A. des Dresdner Geschichtsvereins, Dresden 1907, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heft20VereinGeschichteDresden1907.djvu/59&oldid=- (Version vom 17.2.2024)