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Richtungen unterscheiden, die auch auf dem Salon im März 1835 durch charakteristische Werke vertreten waren. Die Namen ihrer Hauptvertreter, Ingres, Delaroche und Delacroix, kennzeichnen sie zur Genüge. Man hat die erste die „symbolische“ oder „dogmatische“, die zweite die „historische“ oder „naturalisierende“, die dritte die „lyrisch-individuelle“ genannt – Namen, die den Grundgedanken nur zum Teil wiederzugeben vermögen. Wollen wir annehmen, daß Rayski sich einer dieser Richtungen angeschlossen habe, so könnte das nur die historisch-naturalisierende Delaroches sein, die sich nach den Worten eines zeitgenössischen Berichterstatters „näher an die Natur hielt, sie mit großem Gefühl für Stimmung und Harmonie auffaßte und diese oft mit einem schönen Ausdruck von dramatischer Poesie zu vereinigen wußte“. Gewiß hat Rayski auf dem Salon von 1835 das einzige ausgestellte Werk Delaroches, den „Tod des Herzogs von Guise im Schloß zu Blois“ gesehen, vor dem sich die Menge der Beschauer damals andauernd drängte; gewiß hat auch der großartig gedachte und ebenso ausgeführte Entwurf seines Eindruckes auf den Künstler nicht verfehlt, wie dessen unten zu nennende Werke aus jener Zeit beweisen – aber von einem Schülerverhältnis zu reden, in das der Deutsche zu dem großen Franzosen getreten sei, erscheint mir gewagt. Rayski hat sich offenbar keiner der geltenden „Richtungen“ unbedingt angeschlossen.

Als den Meister, der in Paris den tiefsten Eindruck auf den jungen Deutschen gemacht hat, möchte ich neben Delaroche dessen Schwiegervater, Horace Vernet, bezeichnen, nach dem ja Rayski schon als Kunstschüler mit 19 Jahren kopiert hatte. H. Vernet, eben (1834) von Rom, wo er mehrere Jahre die französische Akademie geleitet hatte, nach Paris zurückgekehrt, trat damals gerade in die dritte Periode seiner künstlerischen Tätigkeit ein. Ursprünglich der Schule Davids folgend, hatte er sich schon früh selbständig für die Militärmalerei entschieden, in der er zunächst dem Genrehaften den Vorzug gab, bald aber die historische Seite hervorhob. Seine Ernennung zum Membre de l'Institut 1826 hatte ihn dann der romantischen Schule genähert, der er während der ganzen Dauer seines römischen Aufenthaltes (1827 – 1834) treu blieb. Erst die Rückkehr in die Heimat führte ihn auch wieder seinem wahren Gebiete, der Genre- und Militärmalerei, zu; er verlieh ihr jetzt dadurch, daß er seine Stoffe zum Teil dem Süden (Algier) entnahm,

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Ernst Sigismund: Ferdinand von Rayski. i. A. des Dresdner Geschichtsvereins, Dresden 1907, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heft20VereinGeschichteDresden1907.djvu/40&oldid=- (Version vom 16.2.2024)