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durch Mißhandlungen Unmögliches zu erpressen suchten. Wohl dachten jetzt die geängstigten Bewohner von Reisewitz an Flucht, aber es gab keinen Ausweg mehr; überall fing der Orkan der Schlacht an zu toben[1].

Es war nämlich mittlerweile Nachmittag geworden, und die Thurmuhren der Stadt kündigten eben mit hellem Klange die 4. Stunde an, da ertönten aus einer hinter Zschertnitz aufgestellten russischen Batterie 3 Signalschüsse, und auf der ganzen Linie der Verbündeten erfolgte der Angriff auf die Stadt, die jetzt von etwa 70,000 Mann Franzosen besetzt war. Zunächst eröffneten[WS 1] die Oesterreicher aus 64 Geschützen ein höchst wirksames Feuer auf den Feind und seine Batterien, während die Hauptmassen der Infanterie langsam nach der Stadt hinabrückten. Die 5. österreichische Colonne zog von der Höhe nach Plauen zu; ein Theil derselben, nämlich die Brigade Mariassy, machte hier Halt, die größere Hälfte dagegen überschritt die Weißritz und besetzte die Gegend bis Cotta. Die hinter Plauen stehende österreichische Reiterei, welche mit Kosaken untermischt war, setzte sich gegen 5 Uhr ebenfalls in Bewegung, durchzog das Dorf, ging beim Wasserpalais über die Weißritz und drang nach Naußlitz vor, zog sich aber wieder auf die Höhe zurück, ohne in Action zu treten. Die langsam nach der Stadt vorrückenden Oesterreicher hatten zwar ein heftiges Artilleriefeuer auszuhalten, wurden aber im Ganzen dadurch wenig geschädigt[2]. Anfangs schien es, daß ihre Bemühungen erfolgreich sein würden, und ein auf Reisewitz eintretender Offizier erklärte: „Der Sieg ist unser; alle Fehd' hat nun ein Ende; die Stadt ist so gut wie erobert“. Daraufhin verließen alle noch anwesenden Soldaten das Haus, theils, um sich von der Wahrheit dieser Mittheilung selbst zu überzeugen, theils, um an der Plünderung der etwa eroberten Gebäude theilzunehmen[3]. Und doch war der vermeintliche Sieg nur eine Täuschung, denn gegen 6 Uhr des Abends drang Marschall Ney mit einer Colonne der sog. jungen Garde vom Dippoldiswalder- und vom Falken-Schlage gegen das noch von den Oesterreichern besetzte Feldschlößchen vor, und mußte dieses, trotz tapferster Gegenwehr, beim zweiten Angriff mit dem Bayonett preisgegeben werden, worauf sich der verdrängte Feind etwas zurückzog. Zwar eilten sofort eine Infanteriereserveabtheilung und Reiterei herbei, wodurch es auf dem Hahneberge noch zu einem heftigen Gefecht kam, allein die einbrechende Dunkelheit machte ihm ein Ende[4].

Hatten die Oesterreicher im Ganzen auch nur wenig Terrain verloren, da die Franzosen vor der Hand über das Feldschlößchen nicht hinausdrangen, so war doch ihre Lage um deswillen nicht günstig, weil der Feind jetzt über einen größeren Raum verfügte als am Morgen, somit mehr Truppen in Action bringen und diese auch besser entfalten konnte. Allmälig zogen sich deshalb die Oesterreicher, ziemlich stark durch französische Artillerie belästigt, nach Wölfnitz, Naußlitz, Döltzschen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. in der Vorlage: eröffeten
  1. Baumann, S. 72.
  2. Aster, S. 227, 228.
  3. Baumann, S. 73.
  4. Aster, S. 237, 238.