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acht Tagen. Ich hoffe das Letztere, denn sonst würde ich nur mit den fünf Bildern dortsein, die ich am Montag hinbrachte. Es wäre ja sehr ärgerlich. Da hätte ich endlich mal Gelegenheit, meine Bilder zu zeigen u. da käme dann dieser Ausnahmezustand dazwischen. Ich hoffe sehr, daß derselbe heute oder morgen wieder aufgehoben wird u. eine Verbindung nach West=Berlin wieder möglich wird. Bis zum 27. Juni muß ich auch die Anmeldung zur Juryfreien aufgegeben haben. Die westlichen Hochkommissare haben Schritte bei Semjonow, dem russischen Hochkommissar, unternommen, um den Ausnamezustand zu beenden u. weitere Standrechtsurteile zu verhindern. – Bei uns ist man weiterhin so blöde, alle Unruhen auf westliche Provokateure zurückzuführen. Diese angeblichen Provokateure müßten dann wahrhaftig Zauberkünstler sein. –

     Ich habe gestern das Bild mit dem Kahn fertig gemacht. Es ist wenigstens einmal ein ganz anderer Lösungsversuch, als meine sonstigen Bilder, ob er gut u. gelungen ist, sei dahingestellt. –

     Es sollen in Berlin zwei vollmotorisierte Divisionen der Russen zusammengezogen sein. - Es scheint, als wolle sich wieder der Spruch bewahrheiten: „Wen die Götter verderben wollen, schlagen sie mit Blindheit“. Anstatt eine großzügige Amnestie zu erlassen, wozu ihnen ja grade das von ihnen selbst erfundene Märchen von der Verhetzung der Massen durch westliche Provokateure eine treffliche Möglichkeit bilden würde, veranstalten die Ulbricht u. Grotewohl jetzt eine groß angelegte Verhaftungsaktion. In allen Betrieben, besonders im Stahlwerk Henningsdorf, werden Hunderte von Arbeitern verhaftet, welche sich an den Unruhen beteiligt haben. Das kann ja nur neue, noch viel tiefere Unzufriedenheit u. Haß bei den Arbeitern hervorrufen. Jene Herren vertrauen allzusehr auf den Schutz, den ihnen die russischen Panzer gewähren. –

Sonntag, 21. Juni 53.     

     Die politische Lage hat sich nicht geändert, nach wie vor gehen Patrouillen der Russen durch die Straßen, bezw. stehen Posten herum an Stellen, die ganz sinnlos zu sein scheinen. Man geht vorbei u. beachtet sie nicht. Sie geben auch keinen Anlaß zur Beachtung. Die Soldaten sehen dreckig aus, obwohl sie warscheinlich ganz sauber sind, aber ihre Uniform hat eine ausgesprochene Dreckfarbe. Da sie alle im Verhältnis zum europäischen Menschen sehr kurze Beine haben, gehen sie auch einen watschelnden Gang wie Enten, was bei den Offizieren besonders auffällt, da diese sehr weite Breaches tragen, wodurch die kurzen Beine noch kürzer erscheinen.

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Hans Brass: TBHB 1953-06-21. , 1953, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1953-06-21_001.jpg&oldid=- (Version vom 27.4.2024)