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weil er gespürt habe, daß „eine gewaltig ringende Persönlichkeit am Werke ist“, aber dennoch behauptet er, „man trägt nichts Belebendes, nichts Erhebendes mit nach Haus“ weil die „Dinge bis in ihre letzte Konsequenz entwirklicht“ seien. Der junge Herr erklärt mit der Überheblichkeit, die dieser Nachhitlerjugend eigen ist, daß ich herabkommen u. unter den Zeitgenossen weilen solle, ich hätte vergessen, „ein Mensch zu sein“. – Es ist also auch hier wieder dieselbe Forderung, die täglich an uns Künstler gerichtet wird, wir sollten auf das Niveau der „Werktätigen“ herabsteigen, um dem Arbeiter verständlich zu sein. Dieser stud. phil. ist zwar milder, er verlangt nur, daß ich auf das Niveau der Studienräte herabsteigen soll.

     Die zweite Auslassung ist von einem Herrn Paul O. Ziems aus Hagenow. Er stellt sich als ein schon älterer Mann vor, der die Zeit des Expressionismus um 1918 miterlebt hat. Ich habe ihn im Verdacht, daß er wirklich Studienrat ist. Er behauptet von sich, daß er die Fähigkeit besitze, „mit klarem Gefühl u. wachen Sinnen den Wesenskern des Kunstwerkes .... zu erkennen u. ... zu beurteilen.“ – Er wiederholt die heute so oft aufgestellte Behauptung, daß der Expressionismus längst überwunden sei u. er behauptet kühn, daß „mit Sicherheit in unserer kunstgeschichtlichen Entwicklung ein Stand der Dinge erreicht“ sei, in welchem „auch das letzte reaktionäre Hindernis, welches sich der geradlinigen Entwicklung entgegenstellte, als überwunden gelten kann.“ Dergleichen Torheit kann nur ein Studienrat behaupten. Dieser Herr lobt zwar ebenfalls meine „Malkultur“, kommt aber dennoch zu dem Schluß, daß diese Ausstellung meiner Bilder überflüssig gewesen sei. –

     Es ist also nicht sehr erfreulich, was da geschrieben worden ist, nur, daß durch solche Dinge, wie Burgartz sagt, mein Name dem Gedächtnis eingehämmert wird u. zu einer umstrittenen Berühmtheit im Lande Mecklenburg-Vorpommern wird. Es ist das ein Vorzug, der vielleicht zweifelhaft ist, es wird sich erweisen.

Sonntag, 5. Januar 1947.     

     Gestern ein Brief von Petersen aus Bln. Er teilt mit, daß er in Freiburg war, wo ihm eine Chefredakteur-Stelle angeboten worden ist u. daß er nunmehr dorthin übersiedeln wird. Gleichzeitig erwähnt er, daß er in meiner Ausstellungsangelegenheit einen neuen Weg gefunden hätte u. darüber in den nächsten Tagen berichten würde.

     Das Bild „Dorfstraße“ habe ich fertig gemacht. Es befriedigt mich zwar keineswegs, aber ich habe keine Lust mehr. Eine Arbeit, die einmal unterbrochen ist, ist wie eine Zigarre, die ausgegangen ist. Man kann wie wohl wieder anzünden u. weiterrauchen, aber sie schmeckt nicht mehr. Dieses Bild ist das dreiundzwanzigste des Jahres 1946, ein ungemein produktives Jahr, obgleich ich lange Zeit krank war u. nicht arbeiten konnte. Wenn das Jahr 1947 annähernd ebenso produkiv wird, werde ich am

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Hans Brass: TBHB 1947-01-02. , 1947, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1947-01-05_001.jpg&oldid=- (Version vom 23.12.2024)