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25.5.45. Arzt sagt wieder ab. Seine Frau erklärt, Patient solle selbst in die Sprechstunde kommen (trotzdem sie ihn kennt u. Bescheid weiß), wenn die Russen ihn aus dem Haus würfen, müßte er ja auch raus. – – Ich schreibe noch einmal Arzt persönlich u. was ist. Er gibt Rezept für Tabletten. – Wenig Linderung. A. will sie nicht mehr nehmen, es ist, als ob sie ihn innerlich verbrennen.

Das älteste Kirchenvorstandsmitglied stirbt die Nacht. Die Angehörigen kommen. Ich darf es ihm nicht sagen, versuche .?.?. durch Boten nach Stralsund trotz der großen Schwierigkeiten dorthin. Auch wegen Sonntags=Vertretung u. einer bevorstehenden Trauung. – – – Die Nacht entsetzlich. – Krampf auf Krampf! – Gegen Morgen etwas Besserung. Ich merke seine Augen auf mir ruhen. Er sagt mit seltsamer Betonung: „Arme Gertrud!“ – – – Nein, ich nehme den Kampf noch auf, denke ich, so weit ist's noch nicht. – Es wurde auch besser. – „Kann ich mal hoch –, kann ich mich mal an Dich anlehnen? – Ach, wie schön: Kannst Du mich noch halten? Bin ich Dir nicht zu schwer ?“ Das Sprechen ging vor Erschöpfung nur in Flüsterton u. stoßweise.

     Der Tag blieb besser. Er bat: „Du mußt mir Mut machen. Weißt Du, ich freue mich, wenn mir jemand Mut macht. Du weißt ja nicht, wie furchtbar das alles ist, wenn man soo – ist!“

     Er nahm die Blumen mit Mühe vom Nachttisch, hielt sein Gesicht darein: „wie schön“, – stellte sie sich ganz dicht vor sich auf den Stuhl u. konnte sie stundenlang angucken u. dazwischen stellte ich später den reizenden Scherenschnitt eines größeren Mädchens, eine Madonna, die ihm viel Freude bereitete.

     Plötzlich zeigte er für das Essen u. Zubereitung mit wie u. was Interesse, er, der sonst nie daran dachte. Wohl wurde es nur jeweil 1/2 Tasse Suppe, die er löffelweise in Pausen u. immer wieder zwischen Hochaufrichten u. Luftschöpfen nehmen konnte. Immer zeigte er Freude darüber, es war seltsam, ihn so mit einem Male vom Essen sagen zu hören „Das schmeckt köstlich, welche Kräuter hast Du drin?“ Nachmittags meinte er lächelnd zu mir „Weißt Du, ich glaube, wir schaffen alles auch ohne Dr. W.“ – Der Tag blieb gut.

Die Nacht wurde lang. Je dunkler es wurde, desto mehr nahm die Bangigkeit zu. Ich brannte von da ab ständig im Zimmer abgedunkelt eine geweihte Kerze, die ich noch hatte. Er hatte immer so sehr das Licht geliebt.

26.5.45. Die Not wurde größer. Wieder qualvolle Unruhe, Schmerzen, Atemnot! – „Hoch!, hoch!, Kann ich mich man an Dich anlehnen? ....“

Bei Tage die furchtbare Unruhe im Haus. Dauernd die Klingel. Oft dringende Sachen, wo ich dringend Bescheid geben muß. Mitunter reißen Russen fast die Klingel ab. Nervenzerreißende Proben. Das wird? Hält die Tür aus? – Die Kinder, besonders oben drüber im Zimmer, sehr ungezogen. Immerfort muß ich sie ins untere Zimmer spielen schicken, so dröhnt ihr Springen u. Toben über ihm, daß er zusammenzuckt... Es ist für mich so schrecklich, daß ich so oft weglaufen muß u. er Grund hat zu sagen: „Immer, wenn ich Dir was sagen will, bist Du draussen. Nachher weiß ich nicht mehr, was ich sagen wollte.“ – Und ich fliege u. haste, so sehr ich kann, kann's doch vor Not nicht schaffen u. ändern.

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Hans Brass: TBHB 1946-12-28. , 1946, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-12-25_003.jpg&oldid=- (Version vom 4.12.2024)