von uns mit einem Dank an Sie beantwortet werden. Sie haben in großzügiger Weise unseren bescheidenen Anteil an Ihrem Kunstschaffen gewürdigt“. Dieser Brief ist freilich nicht von Willi Bredel unterschrieben, aber den Dank an mich hätte ich mir anders vorgestellt. –
Von Fritz ein Telegramm, daß sowohl mit Prof. Resch wie mit Dr. Herting noch immer nichts zu erwarten ist. Es sieht also ganz so aus, als würde aus der Ausstellung in Berlin überhaupt nichts werden. Fritz kommt morgen mit Herrn Sorg in dessen Auto zurück u. bringt Justus Schmitt mit.
Vormittags war der alte Dechant Pich bei mir. Er wollte am Sonntag, also morgen, um 4 Uhr Gottesdienst halten, aber ich habe ihm klar gemacht, daß das nicht ginge, da um 4 Uhr das Licht ausgeht. Es ist unmöglich, hier im Hause bei völliger Dunkelheit Gottesdienst zu halten, wo so viele sehr alte Frauen da sind. Ich habe ihm vorgeschlagen, daß er am Mittwoch früh 8 Uhr bei uns eine stille Messe lesen soll. Er sah es ein. Wir werden dann verabreden, wie wir es zu Weihnachten machen werden.
Dechant Pich war in Sachsen, wo er in Bitterfeld einen Bruder hat, ebenfalls Flüchtling aus Sudetenland. Er hatte Sachen für eine Frau mitgenommen, deren Mann im Sudetenlande geblieben ist u. diese Frau ist jetzt in der Gegend von Bitterfeld. Um ihr die Sachen zu bringen, war er dorthin gereist. Inzwischen kam die Einstellung fast des gesamten Personenverkehrs. Der Alte hat für die Rückfahrt hierher 4 Tage gebraucht, von Dienstag bis Donnerstag, unterwegs fast nicht geschlafen u. fast nichts gegessen. Außerdem ist ihm alles Gepäck, bestehend aus zwei Koffern, gestohlen worden. Zuletzt mußte er von Velgast bis Ribnitz zu Fuß gehen, 20 km. Andere mußten bis Rostock gehen – 60 km. Die Reise war unbeschreiblich. Da der Reiseverkehr ohne Ankündigung von heute auf morgen eingestellt worden ist, wurden Tausende davon überrascht. Es hat dramatische Scenen gegeben u. unbeschreiblicher Elend u. Unordnung. Das Maß dieser Russen ist wohl bald voll.
Zum Frühstück aßen Martha u. ich jeder ein Ei, die ersten Eier aus dem Stall.
An Schwester Gertrud Dobczynski geschrieben u. an die Redaktion, „Demokrat. Erneuerung“, der ich ein neues Manuscribt sandte. Ich habe eine sehr gut überlegte Antwort auf die Anpöbelung des Herrn Bredel gegeben.
Es ist 6 Uhr durch u. das Auto mit Fritz ist noch nicht da. Wir sind etwas in Sorge, weil die Straßen sehr unsicher sind, die abziehenden Russen plündern u. benehmen sich wie im Kriege.
Das Küken habe ich gegen einen jungen Hahn von Margot Seeberg eingetauscht. Der Hahn ist schon im Mai geboren u. ist kräftig, für unser Küken habe ich Sorge, daß es den Winter nicht überstehen wird.
Es ist 1/2 1 Uhr Nachts u. das Auto ist noch nicht da. Ich gehe schlafen, weiteres Warten ist zwecklos. Hoffentlich ist nichts passiert, – die Straßen sind
Hans Brass: TBHB 1946-12-06. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-12-07_001.jpg&oldid=- (Version vom 2.12.2024)