Telegramm von Marg. Riemschneider, daß sie mit Barbara am Freitag abend hier eintreffen wird. –
Die neue Nummer 7 der „Demokrat. Erneuerung“ ist erschienen mit einem Aufsatz von Marg. Riemschneider „Zur Ausstellung Hans Brass“. In der Bildbeilage ist eine Reproduktion des „Gnadenbild“, das leider zur Reproduktion recht ungeeignet ist.
Heute ging das Licht bereits um 5 Uhr aus, sonst immer erst um 6 Uhr dafür ging es aber schon um 8 Uhr wieder an, sonst erst um 9 Uhr.
Die Zeitungen der nichtrussischen Zone in Berlin, also Telegraph, Kurier u. Tagesspiegel, bringen sehr alarmierende Berichte über eine neue Welle von Demontage deutscher Industrien durch die Russen, u. zwar diesmal nicht bloß der Einrichtungen, sondern auch den Abtransport der Arbeiter u. Techniker. Vor allem geschieht das in Thüringen. Die Zeiss-Werke u. Jenaer Glas usw. werden geschlossen nach Rußland verschleppt mitsamt den Arbeitern, Spezialisten, Chemikern u. Ingenieuren, ebenso ein Werk für „Raketen=Jaeger“. Was das ist, weiß ich nicht. Es wurde mir kürzlich schon einmal erzählt, daß alle deutschen Ingenieure Chemiker usw. u. alle Spezialarbeiter, die ehemals in der Herstellung der Raketenbomben tätig waren, nach Rußland verschleppt würden, um dort diese Waffe weiter auszubauen. Das ist das wahre Angesicht dessen, was man unter „Frieden“ versteht, um den sich die sozialistischen Russen angeblich so heiß bemühen. – Die Tägl. Rundschau dagegen ist in eine wüste Schimpferei ausgebrochen im besten Kutscherton über jene anderen Zeitungen, die die Nachrichten gebracht haben. Sie werden mit Gauner u. a. Worten tituliert u. man denkt, es wäre alles nicht wahr u. gelogen. Aber nein, – es wird keine Jota dementiert von dem, was jene gedruckt haben, – es wird bloß erklärt, daß es eine bodenlose Gemeinheit u. eine unanständige Hetze gegen Rußland wäre, wenn jene Zeitungen drucken, was die reine Wahrheit ist. – Die Leute sind nun hier alle in Sorge um ihre heranwachsenden Söhne u. jeder denkt daran, wie er seinen Sohn vor den Russen verstecken kann.
Gestern Nacht ist Frl. Reinhardt in Wustrow im Krankenhause verstorben. Sie war von Schwerin zu uns als Verkäuferin gekommen auf ihren eigenen Wunsch, aber ihr Hiersein hat von Anfang an unter einem sehr ungünstigen Stern gestanden. Sie konnte sich nicht in die Gemeinschaft der anderen Angestellten einfügen u. als dann eine bis heute noch nicht aufgeklärte, recht unangenehme Geschichte eintrat, wobei es sich um ein Brot handelte, das Herrn Glaeser gestohlen wurde u. das dann nachher bei Frl. R. gefunden wurde, war es ganz aus. Frl. R. bestritt zwar, daß das bei ihr gefundene Brot das des Herrn Glaeser sei, doch konnte
Hans Brass: TBHB 1946-10-28. , 1946, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-10-28_001.jpg&oldid=- (Version vom 26.11.2024)