Schmarren mit billigen Effekten.
Heute früh fuhr Martha nach Berlin weiter u. ich fuhr hierher zurück. In Ribnitz fand ich nur ein Schiff nach Wustrow u. dort regnete es in Strömen. Fritz holte mich zum Glück ab. Ich kam völlig durchnäßt zuhause an, von den Knien abwärts bis auf die Haut naß, sodaß ich mich total umziehen u. Kleider u. Mantel zum trocknen aufhängen mußte.
Ich vergaß zu berichten, daß Pfr. Dr. Schräder am Montag Nachmittag mit aller größtem Interesse meine Ausstellung besichtigte u. daß wir uns dabei sehr anregend unterhielten. Natürlich waren Martha u. ich auch am Montag Morgen in der Messe gewesen, wie auch am Sonntag ein zweites Mal gleich nach unserem Besuch beim Pfarrer. Er ist ein sehr angenehmer Mann, mit dem man gut befreundet sein könnte, wenn ich in Schwerin wäre. – Und mir scheint daß ich gern dort wäre, falls ich dort eine gute u. bequeme Winterwohnung finden würde, woran aber bei der derzeitigen Uebervölkerung nicht zu denken ist.
Hier zuhause zeigte mir Fritz, daß die Landes-Zeitung meine Entgegnung „Kritik der Kritik“, die ich vor 14 Tagen Ehm Welk für die „Demokrat. Erneuerung“ gegeben hatte, gebracht hat, u. zwar nur in der Rostocker Ausgabe, sodaß ich sie in Schwerin nicht gelesen habe. Fritz ist ärgerlich, daß die Landeszeitung diesen Artikel sehr gekürzt hat, aber man kann der Zeitung nicht übel nehmen, wenn sie die Stellen weggelassen hat, die sich gegen die Zeitung selbst richten. Ich finde es sehr anerkennenswert, daß die Zeitung diesen Artikel gebracht hat u. habe mich darüber gefreut. Ferner ist in derselben Zeitung eine größere Notiz erschienen über eine geplante Ausstellung „Ahrenshooper Künstler“, jedoch ist der einzige Ahrenshooper, der da genannt wird, der vor 30 Jahren vestorbene Schorn. Dafür aber wird Herr Venzmer um so hervorragender genannt, obgleich er garkein Ahrenshooper Künstler ist. Man scheint also meine Ausstellung in Rostock endgültig zu den Akten gelegt zu haben u. Herr Venzmer hat sich dafür in den Vordergrund geschoben. Nun gut! – Ich habe mich zu keiner Ausstellung gedrängt u. werde das auch in Zukunft nicht tun.
Am Montag, als ich dem Pfarrer die Bilder zeigte, war auch Frau Karsten zu gegen mit ihrer Tochter u. dem soeben verlobten Schwiegersohn, der sich wohl auch Mühe geben will, über mich in der demokrat. Presse zu schreiben. Außerdem war da ein schwer kriegsbeschädigter, einbeiniger junger Mann namens Brandt, von dem ich nicht weiß, woher er kam u. der voll großer Bewunderung war.
Heute abend bekam ich die Landeszeitung vom gestrigen Tage mit der Besprechung meiner Schweriner Ausstellung von Agathe Lindner = Frau Ehm Welk. Die Zeitung hat die Besprechung ungekürzt gebracht, obgleich sie gut 3 volle Spalten lang ist u. einen enormen Platz beanspruchte. Die Sache wirkt natürlich ganz außerordentlich u. ich denke mir, daß die Rostocker recht dumme Gesichter machen werden. In dieser Woche ist mein Name so reichlich in dieser
Hans Brass: TBHB 1946-10-08. , 1946, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-10-09_001.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2024)