der verstorbenen Frau Schorn, aber selbst schon sehr alt u. gebrechlich. Sie ist die Erbin des Hauses, aber da sie durch die Verhältnisse alles Vermögen verloren hat, weiß sie nicht, was sie mit dem Erbe anfangen soll. Sie ist ehemalige Oberlehrerin u. wohnt mit anderen Verwandten in einem Hause in Schwerin, das aber größtenteils von einem russischen Oberst u. dessen Frau bewohnt wird, dazu ein Koch zwei Schofföre u. ein Bursche zur Bedienung dieser kommunistischen Familie, die im übrigen sich keine Gelegenheit entgehen läßt, ihren Deutschenhaß an den Tag zu legen. Das Personal wetteifert mit der Herrschaft hierin. Der Koch verpflegt alle zusammen reichlich u. alle freuen sich über den Hunger, den die Deutschen angesichts dieses üppigen Lebens doppelt verspüren.
Bei prachtvollem Herbstwetter begleitete ich nach dem Mittagessen Martha nach Althagen zu Frau Rewoldt, bei der wir gegen andere Dinge Aepfel + Birnen, zwei Eier, ein wenig Bohnen u. vor allem Tabak eintauschten. Frau R. ist sehr alt geworden. Wir wollten dann in der „Hoffnung“ Kaffee trinken, doch war alles zu. So wurde der Weg für mich doch reichlich anstrengend u. wir kehrten deshalb bei Carmen Grantz ein, um etwas zu verschnaufen. – Abends war eine sehr gut besuchte u. recht anregende Sitzung der Ortsgruppe des Kulturbundes, die bis nach 11 Uhr dauerte. Hierbei trat Fritz zum ersten Male als Vertreter des Vorsitzenden Dr. Burgartz auf, sowie als Kassenführer u. machte seine Sache ausgezeichnet.
Ich habe einen neuen Bildentwurf in Arbeit: ein alter Jude auf der Flucht, der erschöpft zusammengekauert eingeschlafen ist. Für das andere Bild: „Mann im Kerker“ fehlt mir noch der Keilrahmen, den mir erstmalig Konow machen will.
Gestern Abend war Ilse Langner mit ihrer Freundin Frau Annamarie Mommsen bei uns. Es war ein ungemein anregender Abend, sie blieben bis 11 Uhr bei uns u. ich freute mich, mit ihnen einen so guten Kontakt zu finden. Am Montag fahren sie nach Bln. zurück.
Konow brachte den Keilrahmen für das Bild „Mann im Kerker“. Er hat ihn ausgezeichnet gemacht, morgen kann ich die Leinewand aufspannen u. vielleicht schon grundieren.
Gestern Brief geschrieben an Chefredakteur Clemens in Hamburg, von dem ich kürzlich das Päckchen mit Cigaretten u. Kaffee erhielt. Ferner eine Entgegnung geschrieben gegen eine flegelhafte Kritik, die in der Landeszeitung über moderne Kunst erschienen ist. Ich will das Manuskript an die „Demokratische Erneuerung“ in Schwerin schicken, wahrscheinlich wird man es ablehnen.
Ehm Welk ist gekommen. Ich sprach ihn eben in der BuStu. Mit der Eröffnung meiner Ausstellung will man den Wahlrummel der Landtagswahl abwarten. Diese ist am 20. Oktober, sodaß die Eröffnung dann am 27. Oktober sein wird.
Hans Brass: TBHB 1946-09-25. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-09-27_001.jpg&oldid=- (Version vom 21.11.2024)