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werde einen ungültigen Zettel abgeben, genauso, wie ich es stets bei den Nazis getan habe. Es hat das zwar keinen praktischen Wert, aber ich handele wenigsten nach meinem Gewissen. Die Rede Dr. Schumachers hat mir zum Bewußtsein gebracht, daß es im Westen eben doch noch starke Kräfte gibt, die die Ziele der SPD. vertreten u. daß es durchaus nicht hoffnungslos ist, für diese Ziele einzutreten. Man verliert hier im Osten völlig den Ueberblick, weil man kaum Zeitungen aus dem Westen bekomt u. man vergißt, daß der russ. Kommunismus doch wahrscheinlich durch diesen Krieg innerlich ausgehöhlt wird. – Es war mir z.B. interessant, von Ilse Schuster zu hören, daß in Magdeburg erst jüngst wieder die russ. Verordnung erneuert werden mußte, nach der es streng verboten ist, Russen in Privatwohnungen zu beherbergen. Eine solche Verordnung wäre nicht nötig, wenn es bei der russ. Besatzungstruppe nicht nach wie vor viele Deserteure gäbe, also viele Soldaten, die nicht nach Rußland zurück wollen. – Man muß also nach wie vor weiterkämpfen u. den Kommunismuß genau so ablehnen wie den Nationalsozialism. u. wenn man nicht aktiv kämpfen kann, dann muß man es wenigstens passiv tun u. seine Mitarbeit verweigern vor dem eignen Gewissen.

     Ich denke, daß ich auch künstlerisch mich entscheiden werde. Ein Bild eines Kosaken-Offiziers wird man zwar niemals ausstellen können, aber man kann es doch wenigstens malen u. damit zeigen, wie diese Leute aussehen.

Sonntag, 1. September 1946.     

     Gestern ist mir eine Unverfrorenheit begegnet, die wirklich eine Gipfelleistung ist. – Es kam am Spätnachmittag dieser Dr. med. Schwaiger aus Bln., mit seiner Frau, der am Montag sich meine Bilder angesehen hatte. Beide hatten damals einen so überaus günstigen Eindruck auf mich gemacht. – Dieser Herr hatte mich bereits durch Petersen, mit dem er bekannt ist, wissen lassen, daß er eine besondere Begabung besäße, den Geldwert von Kunstwerken zu schätzen u. daß er gern bereit wäre, dieses Talent in meinen Dienst zu stellen. Ich ließ ihm durch P. sagen, daß ich es sehr begrüßen würde, wenn er meine Bilder taxieren würde. Er kam dann einige Tage später am Vormittag, doch wollte ich da arbeiten u. ich bat ihn, lieber Nachmittags zu kommen. Ich dachte dabei nicht so sehr an dieses Taxieren, sondern mehr daran, daß das Ehepaar schon bei seinem ersten Besuch darum gebeten hatte, noch einmal wiederkommen zu dürfen u. die Bilder ein zweites Mal zu sehen. Die Sache mit dem Taxieren war mir zwar ganz interessant, aber doch ganz unwichtig. –

     Nun kam gestern dieser Herr u. erzählte mir mit der Miene eines Biedermannes in salbungsvollem Ton, daß es für mich doch überaus gefährlich sein könne, wenn ich etwa zu hohe Preise forderte. Er sagte mir,

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Hans Brass: TBHB 1946-08-30. , 1946, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-09-01_001.jpg&oldid=- (Version vom 17.11.2024)