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In der letzten Nacht fingen nun wieder die Schmerzen an, die ausstrahlten bis in die rechte Schulter u. bis zum Knie. Das Atmen fiel mir schwer u. war sehr schmerzhaft, außerdem immerwährender Urindrang. Ich maß die Temperatur u. hatte wieder 38° Fieber. So lag ich die ganze Nacht recht qualvoll, ohne zu schlafen u. blieb heute früh liegen. Es ergab sich aber, daß ich im Sitzen weit weniger Schmerzen hatte u. auch das Fieber war wieder verschwunden mit 36,9. So stand ich nach dem Frühstuck doch wieder auf, es ist im Stuhl besser als im Bett, zumal die Sonne durchs Fenster scheint, wenngleich es draußen auch rauh u. kalt ist. Schmerzen habe ich zwar immer noch, aber sie sind erträglicher, als in der Nacht.

Donnerstag, 11. April 1946.     

     Nachdem ich gestern abend eine Phanodorm-Tablette genommen hatte, habe ich die ganze Nacht hindurch sehr gut geschlafen. Heute sind die Schmerzen wesentlich geringer. Seit vier Wochen hatte ich heute zum ersten Male guten Stuhl. Das sind die Freuden des Alters, daß man Nachts gut schläft u. einen guten Stuhlgang hat. Vielleicht wird es nun endlich wieder besser werden.

     Am Vormittag war der junge Maler Müller-Rabe da. Ich habe mich nicht sprechen lassen, aber Martha hat ihm meine Bilder gezeigt, die nach Marthas Beschreibung einen starken Eindruck auf ihn gemacht haben. Nach seiner Meinung, die wohl richtig sein dürfte, ist es noch zu früh, meine Bilder öffentlich zu zeigen, da allgemein, eine heftige Abneigung gegen jede moderne Kunst besteht. Es ist das ein typisches Anzeichen für die ganze deutsche Mentalität. Das Banausentum war nie so mächtig in Deutschland, wie jetzt. Essen u. Trinken sind die einzigen Interessen, die die Deutschen jetzt haben, – sie nennen das „Aufbau“. Wer sich diesem „Aufbau“ entgegenstellt, oder nur nicht mitmacht, ist ein Verräter am Volk. – Essen u. Trinken u. eine warme Stube sind freilich unschätzbare Güter in dieser Zeit des Hungerns u. Frierens, das muß ich selber zugeben. Ich hätte keine Aussicht, je wieder zu Kräften zu kommen, wenn nicht Menschen da wären wie Spangenberg, der mich mit Eiern versorgt, Heyde, der Kartoffeln u. Butter heranschleppt, die Familie Oehmke, die Milch bringt u. unsere Trude Dade, die mir ihre Frühstücksstullen bringt, welche Mutter Dade ihr mitgibt u. die oft mit Schinken belegt sind. Auch sorgt sie dafür, daß im Essen Speck ist u. daß es von Zeit zu Zeit Fisch gibt.

Freitag, 12. April 1946.     

     Brief von Fritz vom 30. März aus Regensburg. Er hat große Unruhe, hierher zu kommen u. wartet bloß die dort begonnene zahnärztliche Behandlung ab, nach deren Beendigung er sofort kommen will, selbst wenn er dann auf das Osterfest in Regensburg verzichten muß. Die Reise hierher wird ohnedies schwierig genug werden.

     Ich selbst habe heute wieder einmal Durchfall, trotzdem habe ich den Eindruck von Besserung. Von Else bekam ich zwei Päckchen Dextropur, das mir hoffentlich helfen wird, den Körper wieder aufzubauen.

     Am Nachmittag kam noch ein drittes Päckchen von Else mit Stärkungsmitteln u. Tabletten, über deren Verwendung ich Dr. Meyer erst befragen muß.

     Auch vom Pater aus Ribnitz kam Nachricht, daß er am Mittwoch nach Ostern bei uns die hl. Messe lesen will.

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Hans Brass: TBHB 1946-04-10. , 1946, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-04-11_001.jpg&oldid=- (Version vom 31.10.2024)