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Gestern bekam ich auch endlich Antwort von Dr. Tetzlaff aus Badenweiler. Er klagt, daß von Seiten des kathol. Klerus nicht genug getan wird. Er sendet mir eine Abschrift eines Briefes an den Sekretär des hochw. H. Erzbischofs Gröber von Freiburg mit, den er im November geschrieben hat, um das Gewissen aufzurütteln u. auf den er nie eine Antwort erhalten hat. Diese Herren in den Ordinariaten sind eben viel zu sehr bedacht auf ihre bequeme Stellung, als daß sie sich in Unternehmungen einlassen, die ihnen vielleicht Lasten u. Unannehmlichkeiten bereiten könnten. Sie lassen sich lieber freiwillig in die Sakristei einschließen u. sagen, daß Politik Sache der weltlichen Behörden sei. Von dieser Seite ist kaum etwas zu erwarten. Eine wirklich große Erneuerungsbewegung ist nur von Seiten der Laien zu erwarten, wenn Gott ihnen den Führer erwecken will. Es gibt in Europa noch starke Elemente der Einigung, wenigstens sehe ich drei Gruppen: die Welt der Gelehrten, die Welt der Künstler u. die kathol. Laienwelt. Diese sind bereit, den Nationalismus zurück zuweisen im Sinne einer Menschheitsgemeinschaft u. wenn Gott ihnen einen Führer erwecken wollte, dann müßte es gelingen, den nationalen u. rassischen Haß zu besiegen. Die „Uno“ –, das ist jetzt schon klar –, kann es nicht, im Gegenteil, sie stellt den Gegensatz zwischen Rußland u. den Westmächten nur um so stärker heraus. Die Bilder Picassos zeigen diese Entwicklung, sie sind wahrhaft Prophetien. Wenn Goethe sagt: „Seligem Herzen, frommen Händen ballt sich die bewegte Welle herrlich zu kristallener Kugel“, so sieht man an diesen Bildern, daß zwar auch hier die „bewegte Welle“ des Weltenablaufes sich zusammenballt, aber nicht zu einer kristallenen Kugel, sondern zu einem finsteren Gebilde voller Zacken u. krampfhafter Widersprüche. Hier ist eben kein seliges Herz u. keine frommen Hände am Werke, sondern ein unter dem Grauen u. der Angst leidendes Herz, dem der Glaube verloren gegangen ist. Diesen Händen ballt sich die Welle des Geschehens zu einer satanischen Mißgestalt.

Mittwoch, 10. April 1946.     

     Heute sind es vier Wochen, daß ich krank bin. Gestern Nachmittag war Dr. Meyer da u. untersuchte mich, d.h. er hörte u. tastete mich ab. Ich stellte ihm das ganze Krankheitsbild seit dem Herbst vor u. er gab zu, daß auch er damals nicht an eine Blinddarm-Entzündung geglaubt hätte, denn dann wäre ja garkein Grund gewesen, daß ich auch nach der Operation immer noch Fieber hatte. Es ist ihm klar, daß diese damalige angebliche Blinddarm-Entzündung genau dieselbe Krankheit war, die ich jetzt habe. Aber nach seiner Ansicht läßt sich nicht viel machen. Irgend ein Operativer Eingriff kommt nicht in Frage, denn dazu bin ich zu abgemagert u. unterernährt. Auch Spritzen will er vermeiden. Ich sollte irgend einen Heilbrunnen trinken, meint er, aber dergleichen ist jetzt nicht zu bekommen. Selbst eine Fahrt nach Rostock in die Klinik zur Untersuchung kommt nicht in Frage, weil ich zu schwach bin.

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Hans Brass: TBHB 1946-04-09. , 1946, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-04-10_001.jpg&oldid=- (Version vom 31.10.2024)