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Amte lassen soll nur soll man ihm Männer zur Seite geben, die Initiative besitzen u. den Kram machen. So wäre Paul für die ganze Verwaltung ausgezeichnet geeignet u. er könnte dann später, wenn sich die Verhältnisse geklärt haben, auch das Amt übernehmen. Herr Brandt wäre sehr geeignet, Lebensmittel von den Gütern jenseits des Bodden heranzuschaffen u. vor allem könnte er den Paetow'schen Hof, der ja nicht erst jetzt schlecht bewirtschaftet wird, ertragreich machen. Jedenfalls sind drei Maßnahmen dringend erforderlich. 1) Es müssen diejenigen Lebensmittel, die in den Geschäften noch vorhanden sind, so sichergestellt werden, daß sie an die Allgemeinheit ausgegeben werden u. nicht bloß an einzelne Freunde der Ladeninhaber. Bei Reichert=Saatmann soll noch immer etwas vorhanden sein, trotz der Plünderung, doch werden diese Lebensmittel unter der Hand an die guten Freunde abgegeben. 2) Es müssen neue Lebensmittel zugeführt werden. In Wustrow ist z.B. ein Dampfer mit Mehl angekommen. Was für Wustrow möglich ist, muß auch für uns möglich sein. Der Schlachter muß in die Lage versetzt werden, Schlachtvieh heranzuschaffen. Herr Brandt ist ebenfalls bereit, nach Ribnitz zu fahren. Man muß notfalls den hier einquartierten Offizieren die Sache vorstellen u. sich von ihnen beraten lassen. 3) Es muß der Hof von Paetow sachgemäß bewirtschaftet werden, wozu Herr Brandt ebenfalls bereit ist. Ferner müssen die Russen veranlaßt werden, in Althagen ihre Pferde nicht auf die Aecker zu treiben. Es sollen dort 300 Pferde auf den Aeckern stehen u. den jungen Roggen abweiden.

     Ich will nun heute zu Gräff gehen u. ihm dies alles vorstellen u. ihn fragen, was er zu tun gedenkt. Falls er nichts unternimmt oder unternehmen will, will ich zu Deutschmann gehen u. zu Kapitän Krull u. will beide zu einer Besprechung einladen mit Paul, mir u. Herrn Brandt. –

     Gestern Abend um 10 Uhr beobachtete ich, daß ein geschlossener Kutschwagen, vom Darss her kommend, vor den Eingang zum Strandweg hielt. Ein Mann lief in den Strandweg hinein. Gleich darauf ertönte Lachen u. Weibergekreisch aus der Holzbaracke hinter Dohnas Haus, wo Flüchtlinge aus Ostpreußen oder Stettin wohnen. Unter ihnen sind drei junge Mädchen, von denen man mir erzählt hat, daß sie sehr enge Beziehungen zu unserem bisherigen russischen Kommandanten gehabt hätten. Eine Mädchenstimme rief einen Namen u. sagte „Dein Liebster ist schon da!“ Dann war viel Gekreisch u. Gelache. Nach einiger Zeit kam jener Mann, der in den Strandweg gelaufen war, wieder heraus in Begleitung von zwei Mädchen. Die eine der beiden stieg mit dem Mann in den Kutschwagen, die andere blieb zurück. Der Wagen wendete u. die Zurückbleibende rief „Alles Gute!“ Darauf fuhr der Wagen in raschem Tempo in Richtung Darss zurück, die Zurückgebliebene ging wieder in den Strandweg. – Es wird also wohl unser bisheriger Kommandant gewesen sein, der sich das Mädchen abgeholt hat.

     Nachm. 4 Uhr. Ich war morgens bei Gräff. Ich fand ihn an einem Tischchen in der kleinen Veranda vor seinem Hause, wo er Lebensmittel-Bezugscheine ausgab. Es war ein immerwährendes Kommen u. Gehen, teils Deutsche, teils

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Hans Brass: TBHB 1945-05-12. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-05-12_002.jpg&oldid=- (Version vom 25.7.2024)