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Sonnabend, 5. Mai 1945.     

     Gestern ereignete sich nichts mehr. Auch die Nacht war ruhig. Ich saß bis 11 Uhr unten in der Diele Wache, aber es ereignete sich nichts, sodaß ich dann ruhig schlafen ging. Gefährlich sind wohl nur die Tross-Züge, die hier durchgekommen sind u. die ja bei allen Armeen der Welt aus Soldaten minderer Qualität bestehen. – Was jetzt hier ist, sind Infanteristen, die an der ganzen Küste entlang einzelne Doppelposten aufgestellt haben, die sich dort eingegraben haben. Am Hohen Ufer, wo unsere Batterie gestanden hat, haben sie zwei Geschütze aufgestellt, wie mir Mehlis sagte. Gestern Abend sah ich vom Seezimmer aus, wie Papenhagen sich an den Posten heranmachte, der hier vor uns sich in die Düne eingrub. Papenhagen brachte den Leuten dann etwas Baumaterial, damit sie sich vor Regen schützen konnten. Das war sehr geschickt. Als es dämmerig war, ging auch ich hin u. brachte ihnen ein paar Zigaretten. Der Mann, dem ich sie gab, war ein großer, blonder u. nett u. gutmütig aussehender Soldat, nicht so jung, wie die Troß-Soldaten meist waren, so etwa 30 Jahre. Er freute sich über die Gabe u. sagte auf deutsch „Danke schön“. So war die Freundschaft geschlossen. Ich werde das öfter tun, damit die Leute uns wohlgesinnt bleiben.

     Die Aufregung der gestrigen Nacht u. des gestrigen Tages macht sich nun doch bemerkbar. Alle im Hause sind etwas nervös, auch Paul. Ich habe noch am meisten meine Ruhe bewahrt.

     10 Uhr Vorm. Frau Müller aus dem Geschäft Saatmann kam u. sagte, die Leute erzählten, die BuStu sei ausgeräubert worden. Wir gingen sofort rüber u. stellten fest, daß jemand von der Westseite, vom Hause Dohna her, durch die Scheibe, die dort kaputt ist u. die wir bloß notdürftig vernagelt hatten, eingestiegen war. Es war alles sehr durchwühlt, aber offenbar haben die Leute nicht viel gefunden, was sie interessierte. Aus dem Turm haben sie wenigstens eine große Puppe herausgeholt u. heute früh haben mehrere Leute einen Russen mit einer Puppe unterm Arm auf der Straße gesehen. Was sonst noch fehlt, läßt sich schwer feststellen.

Sonntag, 6. Mai 1945.     

     Gestern Vormittag sah ich Prof. Reinmöller auf der Straße gehen. Sein Selbstmord war also wieder einmal ein falsches Gerücht. Dagegen wurde mir der Selbstmord des Herrn v. Knesebek durch dessen Nichte bestätigt.

     Ich versuchte gestern Vormittag, irgendwo einen Offizier aufzutreiben. Es hieß, es solle einer im Kurhaus wohnen, doch bestätigte sich das nicht. Ich wollte ihn gern bitten, die Soldaten vor weiteren Plünderungen zurückzuhalten. Ferner wollte ich nach Frau Longard sehen u. Frau Garthe besuchen, doch waren so viel einzelne Soldaten im Dorf, daß ich nicht bis dorthin kam. Sie gingen in die Häuser u. klauten besondes Schuhzeug u. Herrengarderobe. Bei uns war aber keiner. Mittags oder bald danach kam eine Limousine mit einem Hauptmann u. zwei Soldaten. Sie kamen ins Haus, besichtigten die Räume unten, ohne sonst etwas zu untersuchen. Der Hauptmann ging dann nach oben, einer der Soldaten ging mit, anscheinend ein Unteroffizier, jedenfalls hatte er Schulterklappen. Sie gingen durch alle Zimmer, öffneten alle Türen, jedoch nur, um zu sehen, was da wäre. In meinem Schlafzimmer interessierte sich der Hauptmann für den Kleiderschrank. Er tastete zwischen den Anzügen herum u. griff in das obere Bord in die Wollsachen, die dort lagen, anscheinend wohl, um zu sehen, ob dort eine Pistole läge. Die Geldkassette interessierte ihn. Da er sie nicht aufbekam,

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Hans Brass: TBHB 1945-05-05. , 1945, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-05-05_001.jpg&oldid=- (Version vom 25.8.2024)