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sie sehen ja die ganze Flag u. die SS an ihrem Lager vorbeimarschieren, während sie selbst da bleiben sollen, um eventuell sogar noch zu schießen.

     Der Bursche von Dr. Krappmann hat Sachen von Dr. K. zur Aufbewahrung gebracht, sowie den Kinderwagen, den wir für Eva leihen wollen.

Mittwoch, 2 Mai 1945.     

     9 Uhr Morgens. Der gestrige Abend verlief noch etwas dramatisch. Der Zug der flüchtenden Truppen aus dem Darss wurde gekrönt durch einen im Leichenzugtempo daherkommenden Zug der Strafgefangenen, die in Born untergebracht waren unter SS-Bewachung. Voraus fuhr ein hoch getürmter, verdeckter Wagen mit zwei kleinen, weißen Panje-Pferden. Oben auf dem Verdeck saß neben dem Kutscher ein Mensch mit blau-weiß gestreiftem Sträflingsanzug u. spielte sehr gut auf einer Ziehharmonika. Dann kamen die Sträflinge, alle in derselben Sträflingskleidung, den Beschluß machten SS-Leute als Bewachung, die ebenso gemein aussahen wie die Sträflinge selbst.

     Gegen 8 Uhr kam Regina Treffer sehr aufgeregt u. berichtete, daß alle Soldaten entlassen seien u. daß um 9 Uhr die Batterie gesprengt werden würde. Das war gewiß sehr erregend, denn wenn sich das bewahrheitet hätte, wären die Dörfer Alt= u. Niehagen u. Ahrenshoop zusammengestürzt. Zum Glück kam Mehlis auch noch u. sagte, daß nur die Geschütze unbrauchbar gemacht würden, die Munition würde nicht gesprengt. Allerdings wußte er es auch nicht genau, er hatte nur den Oberfeldwebel gefragt u. der hatte gesagt, er glaube nicht, daß die Munition gesprengt werden würde. Verrückterweise hatte nämlich die Batterie grade gestern neue Munition erhalten.

     Einesteils war diese Nachricht ja gut, weil dann eben nicht geschossen würde, andererseits konnte die Sprengung auch allerhand Unglück anrichten. Ich ging vorsichtshalber zu den Nachbarn u. sagte, daß alle Fenster geöffnet werden sollten. Inzwischen kamen drei Marine-Helferinnen vom Hause Monheim u. baten flehentlich um Unterkunft. Sie hatten Angst, alle 12 Helferinnen im Monheimschen Hause zu bleiben, weil der Russe ja dann sofort merken würde, daß sie Marine-Helferinnen waren. Nun wollten sie gern unauffällig untertauchen. Wir schickten sie zunächst zurück, da der Russe kaum in dieser Nacht ankommen würde u. bestellten sie für heute Morgen. –

     Inzwischen kamen viele der Autos der SS wieder zurück. Sie waren nur bis Ribnitz gekommen, der Russe war bereits im Anmarsch. Ein höherer SS-Offizier war arg zugerichtet. Es wurde erzählt, daß er in Ribnitz angeordnet hätte, Panzersperren zu errichten u. Ribnitz zu verteidigen, aber er habe von der Bevölkerung furchtbare Prügel bezogen.

     Um 1/2 9 Uhr hörte man dann die ersten Detonnationen von der Batterie her, wo sie anfingen, die Geschütze zu zerstören. Die Detonnationen waren nicht stärker als gewöhnliches Uebungsschießen. Da dann nichts weiter erfolgte, schloß ich um 1/2 10 Uhr wieder die Fenster. Martha u. ich saßen mit Paul im Seezimmer, als es einen starken Lichtschein gab u. darauf eine Detonnation, daß unser ganzes Haus schwankte wie ein Schiff. Dennoch waren nirgends Fensterscheiben kaputt gegangen. Am Himmel stand eine riesige schwarze Rauchsäule. Ich ging mit Martha runter, um zu sehen, ob auch an der BuStu. nichts passiert sei. Es war hier eine Schaufensterscheibe rechts neben dem Eingang kaputt gegangen, sonst war alles in Ordnung. Als wir noch dort standen gab es eine zweite Explosion von nicht minderer Heftigkeit, die der

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Hans Brass: TBHB 1945-05-01. , 1945, Seite 006. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-05-02_001.jpg&oldid=- (Version vom 21.7.2024)