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daß die Ortelsburger Flüchtlinge sich bereit machen sollen, nach der Lüneburger Heide weiter transportiert zu werden. Eine Ortelsburgerin, die Sonntags an unseren Andachten teilnimmt, kam heute nach der Andacht zu mir, um mich um Rat zu fragen, was sie tun solle. Ich antwortete ihr, daß ich da keine Verantwortung übernehmen könne, daß ich aber selbst an ihrer Stelle hierbleiben würde. Ich sagte ihr: Unser Leben steht in Gottes Hand, u. wenn Er will, kommen wir auf der Flucht um, u. wenn er will, können 10000 Russen uns nichts tun. Sie antwortete: „dann will auch ich hier bleiben.“ –

     Gestern wurde in ganz Mecklenburg geworben zur Aufstellung eines Freikorps. Es fanden sich tatsächlich noch Dumme: in Althagen zwei: der Briefträger Vieck u. der Schlachter Schönfeld. – Ich sprach eben mit Dr. Krappmann darüber, er meinte, daß es für diese Leute überhaupt keine Waffen gäbe. Das dürfte wohl stimmen, aber diese Bande ist gewissenlos genug, die Leute trotzdem gegen die Panzer der Alliierten zu schicken.

     In Ribnitz sollen die Leute schanzen. Es ist nun schon so oft bewiesen worden, daß das überhaupt keinen Sinn hat; aber dennoch wird es befohlen.

     Heute früh hörte ich Befehle u. Verhaltungsmaßregeln, die Eisenhower an Soldaten u. Offiziere unserer Wehrmacht erlassen hat. –

     Trude brachte uns heute früh ein Körbchen mit Eiern u. a. Lebensmitteln, nachdem die Mutter gestern schon einen Kuchen für uns gebacken hatte, allerdings teilweise mit unserem eigenen Material. – Auch Agnes Borchers war eben hier u. brachte uns zwei Eier von ihren Hühnern.

Ostermontag, 2. April 1945.     

     Gestern Abend wurde im dt. Rundfunk ein Aufruf durchgegeben zur Bildung einer Widerstandsbewegung unter dem Namen „Werwolf“. Der Aufruf richtete sich an alle deutschen Männer u. Frauen, besonders aber den die Jugend: Jungens u. Mädchen u. forderte auf zum heimtückischen Widerstand in den besetzten Gebieten durch Ermordung feindl. Soldaten aus dem Hinterhalt, besonders unter Ausnutzung der nächtl. Dunkelheit. Aber nicht bloß gegen die feindl. Soldaten, sondern auch gegen deutsche Volksgenossen soll sich dieser Mordterror wenden, gegen alle, die nicht für einen Widerstand bis zum letzten Blutstropfen sind, die Aeußerungen gegen den Krieg oder den Nationalsozialismus tun oder die sich im besetzten Gebiet als Beamte oder Arbeiter für den Wiederaufbau einsetzen. Es ist also so, daß irgend ein Lausejunge von der Straße mich ungestraft niederknallen darf, wenn ich nach seiner Meinung ein „Volksschädling“ bin. So hat man es dieser Tage schon mit dem Bürgermeister von Köln gemacht, der erschossen worden ist u. mit vielen anderen Beamten u. Arbeitern. Das ist nun freilich das Allerletzte, was unserem Lande noch blühen konnte: es bedeutet die Verherrlichung des untermenschlichen Verbrechertums.

     Das Ruhrgebiet ist nun völlig abgeriegelt. Im Kessel befindet sich die aus 3 Armeen bestehende Heeresgruppe

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Hans Brass: TBHB 1945-04-01. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-04-02_001.jpg&oldid=- (Version vom 16.7.2024)