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besonders, nachdem er s. Zt. kurz vor dem 20. Juli schon einmal seines Postens als Oberkommandierender West enthoben worden war. Diese Hoffnung hat aber schwer getäuscht, denn nach dem 20. Juli ließ er sich dazu mißbrauchen, den Vorsitz einer Kommission zu übernehmen, welche den Ausschluß der am Attentat beteiligten Offiziere aus der Armee aussprechen mußte. Zur Belohnung wurde er dann wieder Oberbefehlshaber. Nun hat diesen Mann doch sein Schicksal erreicht.

     In der Saarpfalz haben die Amerikaner Pirmasens genommen u. den Kessel auch sonst weiter eingeengt. Die Russen scheinen eine neue Offensive anzufangen in Niederschlesien bei Neisse.

     Gestern Abend waren die beiden älteren Töchter von Frau Krauss bei uns, Frau Masurek u. die andere, deren Namen ich nicht kenne. Es ist wohl mit der Mutter sehr hoffnungslos. Die älteste Tochter muß heute wieder zurück nach Beskow u. auch Frau Masurek ist nach Berlin gefahren, wo sie in der Frankfurter Allee ein Herren-Konfektionsgeschäft betreibt, aber sie kommt in einer Woche wieder zurück. Ich habe gestern an den Pfarrer geschrieben u. ihn um Verhaltungsmaßregeln gebeten für den Todesfall.

Sonnabend, 24. März 1945.     

     Die Amerikaner haben an einer neuen Stelle den Rhein überschritten, doch sagen sie nicht, wo das geschehen ist. Hoffentlich nicht im Süden, wo Fritz ist. Sie sagen, daß die Ueberschreitung ohne jede Verluste durchgeführt worden sei u. die Deutschen keinen Widerstand geleistet hätten; das macht ganz den Eindruck, als sei es in Fritzens Gegend. Nach den Bemerkungen, die er über seine Einheit gemacht hat, kann man das wohl annehmen.

     Eisenhower erläßt jetzt täglich Bekanntmachungen an die rechtsrheinische Bevölkerung u. fordert sie zur sofortigen Flucht auf. Früher hat er der linksrheinischen Bevölkerung stets angeraten, nicht zu fliehen, sondern sich in Kellern u. Bunkern in Sicherheit zu bringen. Jetzt tut er das Gegenteil, der Grund dazu liegt vielleicht in den Verwendung der neuen 10 Tonnen-Bomben, gegen die Keller u. Bunker keinen Schutz bieten. Jedenfalls steht nun also die Offensive unmittelbar bevor u. sie wird wohl mit noch nie dagewesener Wucht erfolgen.

     Gestern Abend war die jüngere Schwester von Frau Ribinsky mit den beiden ältesten Buben der Frau R. zum Rosenkranzgebet bei uns. Eine sehr nette u. ordentliche Frau. Sie sagte mir, daß in Allenstein etwa 70% der Einwohner dort geblieben seien. Von russischen Greueltaten wußte sie nichts Positives zu berichten.

     Heute wieder prachtvolles Wetter. Am Vormittag einen Stachelbeer-Strauch im Hintergarten ausgegraben, der sich dort selbst ausgesät haben muß u. ein kümmerliches Dasein im Dünensand fristete. Ich habe fünf junge Sträucher daraus gemacht u. sie vor das kleine Haus beim Apfelbaum gepflanzt.

Herr v. d. Knesebeck, der Bruder von Frau Garthe, machte heute Vormittag Besuch. Er ist aus Gleiwitz u. macht einen recht kranken Eindruck. Belangloser Mann.

     Mittags: Soeben wird bekannt, daß die große Offensive über den Rhein im Raume Wesel heute früh begonnen hat. Es haben starke englische, kanadische u.

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Hans Brass: TBHB 1945-03-23. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-03-24_001.jpg&oldid=- (Version vom 15.7.2024)