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Verbrecherbande ist grenzenlos. – Und da kommt dann solch ein Dummkopf wie mein Neffe Wollesen daher u. faselt davon, wie gut die Stimmung der Berliner wäre.

     Heute Vormittag für Ruth's Kinder zwei Ostereier, bemalt. Ob sie wohl hinkommen werden? Nach dem, was Herr Soehlke erzählte, ist das wenig wahrscheinlich, das allgemeine Chaos ist bereits da. – Er war übrigens derselben Meinung wie ich, daß diese Nazis nur noch den einen Plan haben Oesterreich u. ev. Bayern zu verteidigen, oder, wie ich es ausdrücke: den Obersalzberg.

Freitag, 9. März 1945.     

     Gestern abend verabschiedete sich Wollesen, er ist heute in aller Frühe abgefahren. Wir legten ihm nahe, Erika hier fort zu bringen, ehe die Russen kommen, was ja auch seine Absicht war, doch läßt es sich nicht so leicht verwirklichen. Er sagte aber zu, es zu versuchen. Er ist ein sehr flacher Mensch ohne wesentliche Interessen, außer dem einen, es zu Wohlstand u. Ansehen zu bringen. Das dürfte ihm nach dem Kriege nur sehr schwer werden, denn irgend welche besonderen Fähigkeiten besitzt er nicht. Ein Mensch aus dem Volke, ohne traditionelle oder kulturelle Verbundenheit. Er fühlt garnicht, daß mit Städten wie Köln u. Dresden deutsche Vergangenheit u. Kultur unwiederbringlich verloren gegangen sind, ihm genügt es, daß man das alles nachher ja wieder aufbauen kann. Ein echtes Produkt nationalsozialistischer Erziehung u. Kulturlosigkeit.

     Abends war Frau v. Achenbach da, – ziemlich langweilig.

     Die Amerikaner haben südlich Bonn bei Rehmagen den Rhein überschritten. Das ist freilich überraschend. Heute heißt es, daß sie bei der Ueberquerung keinen nennenswerten Widerstand gefunden hätten u. daß auch jetzt rechts des Rheines noch kein nennenswerter Widerstand zu spüren wäre. Sie haben Godesberg besetzt u. sind dabei, Bonn zu säubern. Es scheint demnach, als ob bei diesem Rückzug über den Rhein eine ebenso große Verwirrung entstanden ist, wie sie Fritz beschrieb beim Rückzug in seinem Abschnitt. Hoffentlich nutzen die Amerikaner diesen Vorteil kräftig aus. Die Gefangenenzahlen steigen ständig, man sagt von 6000 Gefangenen täglich, demnach scheinen unsere Soldaten die Nutzlosigkeit einzusehen u. sich zu übergeben. Das ist die einzige Art einer baldigen Beendigung des Krieges.

     Heute vertrat auch der engl. Sender die Meinung, daß Hitler ganz Deutschland aufgeben werde, um sich mit den Resten der SS u. seinen Kumpanen in die Gegend von Berchtesgaden zurück zu ziehen u. einen Bandenkrieg zu führen.

     Da sehr schönes Wetter ist, haben wir beschlossen, den lange gehegten Plan durchzuführen u. am Sonntag nach Müritz zum Hochamt zu fahren mit Spangenberg.

Sonntag, 11. März 1945.     

     Wir sind nicht nach Müritz gefahren, da sich das Wetter wieder verschlechtert hatte. Es war besonders gestern kalt u. stürmisch.

     Gestern Abend Herr u. Frau Ziel. Beide waren etwas besorgt, Herr Dr. Burgartz hatte sie nervös gemacht.

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Hans Brass: TBHB 1945-03-09. , 1945, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-03-09_001.jpg&oldid=- (Version vom 12.7.2024)