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Er ist zwar eng u. unbequem, aber doch glücklich u. zufrieden im Pfarrhause untergekommen. Ob es ein kathol. oder evang. Pfarrhaus ist, schreibt er nicht, doch nehme ich eher das erstere an, denn er schreibt nur, daß „der Pfarrer“ ein schon betagter Herr sei, er schreibt nichts von einer Pfarrersfrau. – Nun sind auch der Stabsarzt mit Feldw. Franke zu Fuß u. völlig erschöpft mit noch sechs weiteren Kameraden in Niedereggern angekommen. Es fehlen nun noch Feldw. Stegmiller u. zwei andere Sanis, doch sollen alle irgendwo in der Nähe sein. Der Divisionskommandeur Oberst Zorn ist beim Gegenstoß auf Kolmar gefallen, auch der Regimentskommandeur u. sein Adjutant fehlen noch; aber da ein großes Durcheinander herrscht werden sich auch diese vielleicht wieder anfinden. Der Rückzug über den Rhein scheint sehr ungeordnet vor sich gegangen zu sein u. die Verluste sind wieder sehr hoch gewesen. Aber nun wird ja wohl für einige Tage Ruhe sein, die zersprengten Einheiten werden erst wieder gesammelt werden müssen u. neu formiert werden müssen. Sie haben überhaupt kein Benzin, sodaß die Fahrzeuge nicht gefahren werden können.

     Gestern begannen nun die eigentl. Vorträge über das Luk-Evang. Es war wieder sehr gute Beteiligung, erstmalig war Dr. Ziel zugegen. Nach dem Vortrage herrschte lange Zeit tiefstes Schweigen. Dr Ziel u. seine Frau standen dann auf u. verabschiedeten sich sehr herzlich, auch die anderen gingen bald, nur Frl. Wernecke u. Frau Dr. Müller-Bardey blieben noch länger. Martha brachte das Ehepaar Ziel hinaus. Sie sagte mir dann, Dr. Ziel sei sehr befriedigt gewesen u. wolle am nächsten Mittwoch wiederkommen. Frau Ziel hat zu Martha gesagt, daß ihr Mann durch unseren Besuch neulich Abend sehr beeindruckt gewesen sei u. noch lange unter dem Eindruck des Gespräches mit mir gestanden hätte. Es ist hier sicher irgendeine offene Tür.

     An den Fronten wird zwar überall gekämpft, doch scheint alles stabil zu sein. Es wird nun wohl wieder eine Weile dauern, bis ein neuer Schlag kommt, der dann allerdings wohl der letzte u. entscheidende sein wird. Das Wetter ist sehr schön u. da die Tage jetzt rasch zunehmen, wird wohl doch noch mit einer neuen Invasion in Dänemark oder Norwegen zu rechnen sein. Walter Knecht ist in engl. Gefangenschaft.

Freitag, 23. Febr. 1945.     

     Gestern hatten wir den ganzen Tag über keinen Strom, sodaß das Mittagessen ausfallen mußte. Grete ist in solchem Falle sehr hilflos. Sie ging dann abends zu Frau König, um dort Kartoffeln zu kochen, von denen sie Stampfkartoffeln machte, die dann aber einfach ungenießbar waren, ich weiß nicht, warum. Ich glaube, wir werden uns im Kochen irgendwie von Küntzels distanzieren müssen, denn auch sonst sind ihre Lebens= u. Essensgewohnheiten für uns sehr fremd. Sie brauchen viel Wurst, die sie nur auf Kosten der Fleischrationen kaufen können, sodaß das Mittagessen meist aus irgend einem faden Kohl oder einer Suppe besteht, während wir auf Wurst gern verzichten, wenn das Mittagessen einigermaßen kräftig u. schmackhaft war. Vor allem machen sie keinen Unterschied zwischen Wochentag u. Sonntag, ich wünsche aber am Sonntag irgendwie etwas Besonderes, nicht um des Essens, sondern um d. Sonntags willen.

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Hans Brass: TBHB 1945-02-22. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-02-23_001.jpg&oldid=- (Version vom 4.9.2024)